Nach ernüchternden Whistleblower-Leaks über Datenkontrollen, -abgriffe und -speicherungen im großen Stil durch Intelligence-Dienste, spätestens aber nach der unheilvollen Massenverbreitung wirrer Verschwörungstheorien im Zuge der Corona-Pandemie über diverse Social Media-Kanäle und der „Weaponization“ des Netzes durch den Einsatz ganzer Troll-Fabriken in nicht-demokratischen Staaten zur Beugung von Wahrheiten und zur Unterwanderung und Spaltung unserer Gesellschaften, ist Europa aufgewacht und hat dem Begriff der Datensouveränität zu einer Grundlage unserer positiven gesellschaftlichen Entwicklung geprägt.
Aber auch der Wirtschaftsstandort Europa ist im Hinblick auf die unaufhaltsame und irreversible Digitalisierung, die nur durch Autonomie ihre volle industrielle Kraft entfalten kann, in zu hohem Maße bereits abhängig von globalen Datenplattformen als auch Hardware aus den USA und Asien.
Der Verlust der eigenen Datenhoheit und Lock-in-Praktiken von globalen Plattformbetreibern mit Monopolstrukturen untergraben schwerwiegend den selbstbestimmten Umgang europäischer Unternehmen mit ihren Daten als Kapital des 21. Jahrhunderts.
Die gerade in Umsetzung befindliche Vision, durch die europäische Initiative „Gaia-X“ so etwas wie eine europäische Datensouveränität zu verwirklichen, ist unmittelbarer, wichtiger und rechtzeitiger Ausdruck dieses Besinnens auf eigenständige Infrastrukturen und Datenräume zur Mobilisierung des großen Innovationspotenzials in Europa.
Lieber Leserinnen und Leser: Wir haben aus all den zuvor erwähnten Gründen diesem akuten Thema, an dem sich die Zukunft nicht nur der europäischen IT-Industrie, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Wohlstandssicherung auf unserem Kontinent entscheiden wird, die nächste Ausgabe unseres Newsletters gewidmet und konnten dafür drei herausragende Autor:innen-Persönlichkeiten gewinnen, die mit ihren Beiträgen einerseits Klarheit in die Begriffsdiskussion um unterschiedliche Souveränitäten (Digitale Souveränität, Datensouveränität etc.) bringen, die in der aktuellen Diskussion oft unpräzise synonym verwendet werden, und andererseits die bisherige Erfolgsgeschichte von Gaia-X im Sinne einer europäischen Strategie (Metaebene) und der Umsetzung von Gaia-X Digital Clearing Houses (GXDCH) am Beispiel Österreichs nacherzählen.
Der erste Beitrag kommt von Prof. Dr. Petra Gehring, die an der TU Darmstadt das Institut für Philosophie leitet und dem „Zentrum verantwortungsbewusste Digitalisierung“ (ZEVEDI) vorsteht. Sie liefert eine gezielte Begriffsfreilegung und versucht danach mit einem geschärften Blick auf die aktuelle geopolitische Zeitenwende mit einem Krieg im Osten Europas, die Frage der Infrastruktursouveränität neu zu bewerten. An dieser Stelle sei auch darauf hingewiesen, dass eine interdisziplinäre Projektgruppe im ZEVEDI sich umfassend mit Positionen zur Debatte der Datensouveränität auseinandergesetzt hat. Das Ergebnis dieser Arbeit kann in der Publikation „Datensouveränität – Positionen zur Debatte“, die von Dr. Gehring gemeinsam mit Dr. Steffen Augsberg im campus Verlag im letzten Jahr herausgegeben wurde, nachgelesen werden. Wirklich an der Diskussion Interessierte können bei vielen unterschiedlichen Perspektiven fündig werden. Am Ende des Beitrags finden Sie Informationen zum Buch.
Der zweite Beitrag stammt von Dr. Roland Fadrany, COO Gaia-X AISBL, und befasst sich mit Datensouveränität im Sinne der Kontrolle, Speicherung und zustimmenden Verwendung von Daten europäischer Unternehmen und Bürger durch Dritte in geschützten Datenräumen und zieht Querverweise zu gestaltenden Rechtsakten der EU-Kommission zur Etablierung fairer Markt- und Servicebedingungen (Digital Markets Act, Digital Services Act) in der digitalen Wirtschaft, mit denen das Gaia-X-Vorhaben einer föderierten, interoperablen Dateninfrastruktur für einen sicheren und auf europäischen Werten fußenden Datenaustausch optimal unterstützt wird.
Der dritte Beitrag kommt von Christian Tauber, K-Businesscom und Mitglied des Gaia-X Hub Austria Management Boards, und Annette Trawnicek, Geschäftsführerin Österreich, Hewlett Packard Enterprise. Er stellt die vor Kurzem realisierte Einrichtung eines Gaia-X Digital Clearing Houses (GXDCH) in Österreich vor, womit unser Land zu einem der ersten in Europa gehört, die ein solches Service als Grundlage für einen vertrauensvollen Datenaustausch zwischen Unternehmen in einem Gaia-X Datenraum bereitstellt. Ein GXDCH, wie es in Österreich von K-Businesscom in Kooperation mit Hewlett Packard Enterprise umgesetzt wurde, kann als ein „One Stop Place“ für die Verifizierung mit den Gaia-X-Regeln beschrieben werden und dient dem Onboarding von Gaia-X-Anwendern bzw. von neuen Community-Mitgliedern, die dann selbst föderierte Datendienste bereitstellen möchten.
Mir bleibt wie immer am Ende nur noch, Ihnen eine spannende Lektüre zu wünschen. Ich glaube, dass wir mit diesem Newsletter ein gutes Timing beweisen, denn der Begriff der Datensouveränität wird uns heuer sicher noch ganz zentral bei einschlägigen Events beschäftigen.