Austausch und Vernetzung zum Thema DC
Die Entwicklung moderner Halbleiterbauelemente trägt maßgeblich dazu bei, dass DC-Lösungen zunehmend auch für Anwendungen im Nieder- und Mittelspannungsbereich kostengünstig und robust konstruiert werden können. Neue Wide-Bandgap-Halbleiter wie Silicium-Karbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) erlauben höhere Sperrspannungen als klassische Silizium-Halbleiter und reduzieren damit die Anzahl aktiver Bauelemente, die notwendig sind, um hohe Spannungen zu verarbeiten (vgl. Abbildung 1).
Darüber hinaus erlauben sie bei geeignetem Schaltungsdesign geringere Schaltverluste. Zu berücksichtigen sind jedoch die geringere Überlastbarkeit leistungselektronischer Umrichter im Vergleich zu klassischen Transformatoren und elektrischen Maschinen sowie die Lebensdauer bzw. Zuverlässigkeit von Halbleiterbauelementen.
Neben bestehenden Anwendungen – etwa Hochspannungs-Gleichstromübertragung, Bordnetze, Stromversorgung von Datencentern oder DC-Bahnstrom – finden Gleichstrom und -spannung eine Reihe interessanter neuer Anwendungsfälle im zukünftigen Stromsystem. Die Vorteile von Gleichstromtechnik in diesen Bereichen umfassen dabei mögliche Effizienzsteigerungen (etwa durch weniger Umwandlungsstufen), Kapazitätserweiterungen oder spezielle günstige technische Eigenschaften.
Im Bereich der Mobilität entwickeln sich neue DC-Bordnetze mit Spannungen von einigen hundert Volt bis Kilovolt. Nicht nur bei der E-Mobilität auf der Straße, sondern auch bei Flugzeugen, Schienenfahrzeugen und Schiffen ist deren temporäre Kopplung an stationäre Netze zur Schnellladung sinnvollerweise in DC ausgeführt. Aufgrund der dabei auftretenden hohen Leistungen ist zukünftig eine direkte leistungselektronische Kopplung an die Mittelspannung absehbar und deswegen ein aktives Entwicklungsfeld.
DC-Technologie kann auch die Systemintegration und -kopplung erneuerbarer Energien vereinfachen, da zum Beispiel Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher in Elektrofahrzeugen und Umrichter-Zwischenkreise bereits in DC-Technik ausgeführt sind. Bestandteile eines nachhaltigen Energiesystems können mittels DC mit weniger Umwandlungsstufen und damit energieeffizienter realisiert werden. Beispiele hierfür sind die Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Kombination mit lokaler Erzeugung bzw. Speicherung oder auch die industrielle Energieversorgung. Speziell bei Herstellungsprozessen (DC-Versorgung von Motoren) können DC-Industrienetze Vorteile hinsichtlich Effizienz, Flächenbedarf und Steuerbarkeit aufweisen. Bei der Versorgung von Servern in Datencentern spielt DC heute bereits aufgrund der höheren Effizienz gegenüber AC-Lösungen eine wesentliche Rolle.
Im öffentlichen Verteilnetz könnte künftig die Kapazität bestehender Leitungen durch die Umstellung auf DC erhöht werden. Das ermöglicht, Leitungen teilweise mit signifikant höherer Spannung zu beaufschlagen als im AC-Betrieb. Ab einer gewissen Leitungslänge sind die Lebenszykluskosten der DC-Alternative inklusive Umrichter vorteilhaft gegenüber der AC-Variante. Aus diesem Grund wird dieser Ansatz bereits heute verfolgt, beispielsweise in Finnland bei langen „Stich“-Verbindungen in dünn besiedelten Regionen.
Bei der Restrukturierung von Netzen könnten DC-Verbindungen in Zukunft eine flexible Lösung bieten. Die Erweiterung von Punkt-zu-Punkt-DC-Strecken zu DC-Verteilnetzen mit mehr als zwei Anschlusspunkten ist ein aktives Forschungsthema. Dies betrifft sowohl Komponenten wie Leistungsschalter, Schutztechnik und zeitgemäße Informations- und Kommunikationssysteme als auch zukünftige technische Regeln für den Betrieb solcher AC/DC-Hybridnetze, die noch aufzustellen sind.
Der heute schon signifikante Markt für DC-Systeme wird weltweit im Zuge der Dekarbonisierung der Energieversorgung weiterwachsen. Die DC-Technologie wird etablierte AC-Netze wohl nicht ersetzen, aber dort ergänzen, wo sie Vorteile bietet.
Die weitere Entwicklung der Elektromobilität und Schnellladeinfrastruktur ist bereits ein wachsendes Marktsegment. Ausgehend von etablierten Lösungen, wie etwa DC-versorgte Datencenter, wird sich der Markt für DC-Netze „hinter dem (AC)-Zähler“ ausdehnen – auf Gebäude und Industrieanlagen mit integrierter lokaler Erzeugung, Batterien, gegebenenfalls Elektrolyse und H2-Brennstoffzellen sowie die E-Ladeinfrastruktur.
Die meisten dieser Systeme koppeln an die öffentliche Verteilnetzinfrastruktur an, so dass es hier früher oder später sinnvoll sein wird, die AC/DC-Umwandlung tiefer in das öffentliche Netz zu verlegen. Spätestens dann wird eine etablierte technische Lösung für aktiv gesteuerte DC-Netze auf der „letzten Meile“ zum Kunden benötigt.