Die e+i hat mit Rektorin Sylvia Geyer über die Qualität der Lehre, Kompetenzen, die Absolvent:innen mitbringen sollten, und die Bedeutung von Role Models gesprochen.
e+i: Im heurigen Jahr feiert die FH Technikum Wien ihr 30-jähriges Jubiläum. Welche Höhepunkte und Meilensteine gab es in diesen drei Jahrzehnten?
Sylvia Geyer: Verglichen mit anderen österreichischen Hochschulen sind 30 Jahre auf den ersten Blick vielleicht kein allzu langer Zeitraum. Allerdings ist an der FH Technikum Wien in diesen drei Jahrzehnten eine enorme Entwicklung passiert, und wir sind sehr stolz auf das, was sich alles getan hat: 1994 ist die FH Technikum Wien mit einem einzigen Studiengang gestartet, heute haben wir 32 Studiengänge in vier Fakultäten mit insgesamt rd. 4.700 Studierenden, rd. 450 internen und rd. 1.000 externen Mitarbeiter:innen [...]
Wir haben in den vergangenen Jahren auch ganz stark in Internationalisierung investiert und das Thema mittlerweile institutionalisiert. Für Studierende in Bachelorstudiengängen ist es beispielsweise im Laufe ihrer Ausbildung notwendig, Internationalisierungs-Skills zu erwerben. Das muss nicht unbedingt ein Auslandssemester sein, das im berufsbegleitenden Studium oder für Studierende mit Betreuungspflichten oft schwer machbar ist. Wir bieten hier einen Strauß von Möglichkeiten, und die Studierenden können sich daraus das auswählen, was für sie am passendsten ist.
e+i: Die FH Technikum Wien hat 2023 eine Sonderwürdigung für institutionelle Lehrentwicklung im Rahmen des Staatspreises Lehre 2023 erhalten. Was macht die Qualität der Lehre an der FH Technikum Wien aus?
Geyer: Qualität ist etwas, das sich entwickeln muss, für qualitätsvolle Lehrveranstaltungen sind entsprechende Strukturen und Rahmenbedingungen erforderlich. Worauf wir sehr stolz sind – und was unter anderem auch ein Grund für die Auszeichnung mit dem Staatspreis war – ist ein neues System für die kontinuierliche Weiterentwicklung aller Lehrveranstaltungen, das wir geschaffen haben. Wir haben dabei ein Tool etabliert, mit dem Ideen gesammelt, nachverfolgbar und priorisierbar gemacht werden.
Ich kann beispielsweise beim Abhalten einer Lehrveranstaltung laufend einmelden, welche Ideen ich habe, um diese Lehrveranstaltung für das nächste Mal zu verbessern. Einmelden kann dabei nicht nur der oder die Lehrende, sondern auch unterschiedliche Stakeholder wie Studiengangsleiter:innen, Vorgesetzte oder andere Lehrende, die diese Lehrveranstaltung vielleicht ebenso halten.
Ein Entwicklungsteam mit Expert:innen auf dem jeweiligen Themengebiet schaut sich diese Einmeldungen dann an und priorisiert gemeinsam, welche Änderungen umgesetzt werden und welche nicht.[...]
e+i: Wie sieht das Betreuungsverhältnis zwischen Studierenden und Professor:innen an Ihrer Fachhochschule aus?
Geyer: Wir haben eine Regel, die besagt, dass eine Lehrveranstaltung für maximal 40 Personen angeboten wird – je nach Art der Lehrveranstaltung sind es zum Teil auch deutlich weniger. Ich glaube, das ist mitunter eines unserer Geheimnisse: Wir arbeiten nicht mit riesigen Gruppengrößen, wo eine Lehrkraft 100, 200 oder mehr Personen mit Monologen bespielt.
An unserer FH gibt es nur mehr integrierte Lehrveranstaltungen, in denen wir gemeinsam mit unseren Studierenden Dinge erarbeiten und in den Diskurs gehen. [...] Dieses System leben wir durchgängig und halten es für einen unglaublich wichtigen Mehrwert, weil wir ja Angewandtes unterrichten wollen.
e+i: Welche Rolle spielt Künstliche Intelligenz in der Lehre?
Geyer: KI hat mittlerweile in jeder Lehrveranstaltung Platz gefunden. Das Thema hat viele Aspekte, über die ich abendfüllend reden könnte...Man muss sich heute als Lehrende:r einerseits überlegen, mit welchen Methoden Leistungsüberprüfungen umgesetzt werden können. Wie kann ich sicherstellen, dass die Lernergebnisse durch die Studierenden erreicht wurden, wenn das über Methoden, die wir über viele Jahre gewohnt waren, beispielsweise das Schreiben einer Seminararbeit, nicht mehr möglich ist?
Auf der anderen Seite gibt es natürlich auch den inhaltlichen, den kompetenzorientierten Faktor. Welche Kompetenzen muss ich als Hochschule meinen Studierenden mitgeben, damit sie KI richtig einsetzen können? KI ist schließlich gekommen, um zu bleiben, soviel steht fest.
Unsere Absolvent:innen brauchen die Fähigkeit, schlechte von guter, valide von nichtvalider Information zu unterscheiden, zu beurteilen, ob ein Text, den ChatGPT oder ein vergleichbares Tool generiert, sinnvoll und schlüssig ist. Diese Methodenkompetenz ist heute essenziell.
e+i: Ihre Fachhochschule ist die größte rein technische FH Österreichs. In welchen Bereichen ist die FH Technikum Wien schwerpunktmäßig aktiv?
Geyer: Die Schwerpunkte zeigen sich am besten, wenn man sich die vier Fakultäten anschaut: Electronic Engineering und Entrepreneurship, Industrial Engineering, Computer Science & Applied Mathematics sowie Life Science Engineering. Hier finden sich unsere Bachelor- und Masterstudiengänge, aber auch Hochschullehrgänge zur Weiterbildung.
Was uns auszeichnet, ist ein so genanntes Säulenmodell in all unseren Studiengängen, das bereits mein Vorgänger Fritz Schmöllebeck institutionalisiert hat. Die erste Säule ist an einer technischen Hochschule selbstverständlich die Technik. Für ein umfassendes Qualitätsprofil erhalten unsere Studierenden aber mit persönlichkeitsbildenden Skills und Wirtschafts-Skills zwei weitere Säulen. [...]
Eine Technologie, die heute up-to-date ist, kann morgen oder übermorgen schon überaltert sein. Aufgabe einer akademischen Ausbildung ist es daher, die Studierenden darauf vorzubereiten, mit neuen Technologien und Entwicklungen umzugehen, Trends und ihre Effekte abzuschätzen, faktenbasiert zu einer Lösung zu kommen. Ich glaube, wenn man den Studierenden das alles mitgibt, dann hat man als Hochschule sehr viel erreicht.[...]
e+i: Die FH Technikum Wien setzt mit dem WeCanTech Award auch ein Zeichen für die Sichtbarmachung von Frauen in der Technik – wie können wir noch mehr Frauen
und Mädchen für technische Berufe gewinnen?
Geyer: Wenn wir bei uns im Haus Frauen auszeichnen – sei es im Rahmen des High Potential-Programms für unsere Mitarbeiterinnen oder des Mentoring-Programms für Studentinnen – gebe ich ihnen gerne mit auf den Weg: Ihr seid schon jetzt ein Role Model. Allein die Tatsache, dass ihr ein technisches Studium absolviert, macht euch zu Vorbildern.[...]
Dieser Vorbildwirkung sollte man sich bewusst sein und bei jeder sich bietenden Gelegenheit mit jungen Frauen reden und ihnen erzählen, wie cool das Studium oder der Job ist, wie viel man damit machen kann und dass eine technische Ausbildung mit genug Motivation auf jeden Fall zu schaffen ist – man kann sich ja auch jederzeit Hilfe holen, wenn man sie braucht, beispielsweise in der Mathematik.[...]
Entscheidend ist es, jungen Menschen und vor allem Mädchen schon so früh es nur geht das umfassende Portfolio an Möglichkeiten zu zeigen, das man mit einer technischen Ausbildung hat, und endlich mit den immer noch präsenten Stereotypen aufzuräumen. [...]
e+i: Welche Rolle spielt eine Branchenplattform wie der OVE für die FH Technikum Wien?
Geyer: Wir wollen als Fachhochschule kein Elfenbeinturm sein, das wäre ein Worst-Case-Szenario. Deshalb ist es ungemein wichtig, mit Unternehmen und Branchenplattformen in direktem Kontakt zu stehen. Der Austausch in beide Richtungen ist dabei sehr wertvoll. [...]
Ich finde beispielsweise Aktionen wie den Girls! TECH UP-Role Model-Award des OVE großartig, und das nicht nur, weil der Award im Vorjahr an eine unserer Studentinnen ging!
Wir möchten gerne mit dem OVE gemeinsam über die Zukunft der Ausbildung nachdenken und uns darüber austauschen, was die Menschheit da draußen eigentlich braucht, was die Branche braucht, was die Unternehmen brauchen.[...]
Das vollständige Interview mit Syliva Geyer lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e+i. Als OVE-Mitglied finden Sie die digitale Ausgabe in Ihrem persönlichen Login-Bereich unter "Mein OVE/Mitgliedschaft".