Ob digitale oder grüne Transformation – die steirische Forschungseinrichtung Joanneum Research leistet mit ihren Instituten innovative und wertvolle Beiträge. Wir haben mit Heinz Mayer, seit 2021 Geschäfsführer von Joanneum Research, über aktuelle Projekte und Herausforderungen sowie die nicht immer einfache Kommunikation von Forschung gesprochen.
e+i: Am 1. September 2021 haben Sie die Geschäfsführung von Joanneum Research, einer der größten außeruniversitären Forschungseinrichtungen Österreichs, übernommen. In welchen Forschungsbereichen ist Joanneum Research aktiv?
Heinz Mayer: Joanneum Research ist als anwendungsorientierte Forschungsgesellschaft an der Schnitstelle zwischen den Universitäten und Industrie und Wirtschaft positioniert. Unsere Schwerpunkte orientieren sich an den Missionen der EU und liegen insbesondere in der digitalen Transformation, der grünen Transformation und natürlich in der Lösung aktueller gesellschaflicher Herausforderungen.
Wir haben umfassende Kompetenzen im Bereich Digitalisierung: Unser größtes Institut Digital mit rund 130 Mitarbeiter:innen beschäftigt sich mit Informations- und Kommunikationstechnologien, das zweitgrößte Institut Materials hat den Fokus im Bereich Beleuchtung, Photonik und Materialbearbeitung. Robotics mit dem Schwerpunkt der flexiblen Produktion ergänzt diesen Bereich.
Wenn wir die grüne Transformation betrachten, dann ist das natürlich ein breites Feld. Wir unterstützen zum einen die Kreislaufwirtschaft, zum anderen hat unser Institut Life einen Schwerpunkt im Bereich Lebenszyklusanalyse.
Im Bereich Gesundheit und Medizin beschäftigen wir uns unter anderem mit der Digitalisierung in Medizin und Pflege, um hier auch einen Beitrag gegen den Fachkräftemangel zu leisten.
e+i: Können Sie uns einige konkrete Projekte nennen, mit denen sich Joanneum Research gerade beschäftigt?
Mayer: Am Institut Materials sind disruptive Technologien für uns enorm relevant. Im Bereich der anwendungsorientierten Forschung ist da mit Sicherheit das Thema Quantum Computing zu nennen. Wir sind Teil einer Quantum Computing-Initiative, gemeinsam mit Infineon und der Universität Innsbruck. Unser Beitrag ist es unter anderem, ganz kleine Lichtwellenleiter auf Chip-Ebene zu implementieren. Das wesentliche Element ist dabei die 3D-Lithographie, wo wir seit Jahrzehnten Kompetenz haben.
Am Institut Robotics, das seit 2015 in Kärnten angesiedelt ist, beschäftigen wir uns im Speziellen mit Industrierobotik. Die Basisrobotertechnologie inkl. Laborinfrastruktur ist bereits etabliert, für die kommenden Jahre haben wir vor, (...) einen weiteren Schwerpunkt im Bereich flexible Produktion setzen. Dazu braucht es zum einen Messtechnik, zum anderen auch Fertigungstechnologie, wo Synergien mit anderen Instituten im Unternehmen genützt werden.
Um die grüne Transformation technologisch zu unterstützen, arbeiten wir an Projekten im Bereich Kreislaufwirtschaft, z.B. an intelligenter Sensorik für die Reststoffsortierung. Da gibt es Projekte mit regionalen und nationalen Wirtschaftspartnern aus der Restmüllentsorgung, aber auch im Bereich Metallverarbeitung, wo wir schon in der Produktion für eine Verminderung des Ausschusses sorgen.
Mit Unterstützung des Landes Kärnten haben wir mit Beginn 2023 ein Digital Twin Lab am Lakeside Science & Technology Park in Kärnten etabliert. Ziel wird es sein, Digitale Zwillinge der Umgebung aufzunehmen, die etwa als Simulationsumgebung für Automatisiertes Fahren oder für planerischeTätigkeiten, vor allem im Stadtbereich, herangezogen werden können. (...)
e+i: An der Schnittstelle zwischen Forschung und Wirtschaft geht es auch darum, Forschungsergebnisse in die Praxis umzusetzen. Europa sagt man oft nach, dass es in diesem Bereich verglichen mit den USA oder asiatischen Ländern gewisse Schwächen hat. Woran liegt das?
Mayer: Egal, wo man hineinschaut: Wir haben in Europa und vor allem auch in Österreich ausgesprochen gute Techniker:innen und Technologien. Beim letzten Schritt für disruptive Geschäftsmodelle sind wir aber vielleicht etwas zu vorsichtig. Das hat zum einen kulturelle Gründe. Scheitern in einer Unternehmensgründung ist nach wie vor etwas, das in Europa als wesentlich kritischer gesehen wird als etwa im amerikanischen Raum. (...)
Zum anderen ist es auch schwierig, zu entsprechendem Kapital zu kommen, um in der Risikophase den langen Atem zu haben, bis eine Innovation wirklich zur Marktreife gelangt. Also nicht nur eine technologische Entwicklung, ein Prototyp, sondern ein Produkt mit wirtschaftlichem Erfolg.(...)
Da reden wir ja nicht von ein, zwei Jahren – in unserem Umfeld sind das meist fünf bis sieben Jahre, bis ein Unternehmen dann tatsächlich auf den Boden kommt.
e+i: Mit Beteiligungen durch die Länder Kärnten und Burgenland reicht der Fokus von Joanneum Research über die steirischen Grenzen hinaus. Wie wichtig sind der Blick über den Tellerrand sowie Kooperationen in der Forschung?
Mayer: In vielen der Programme, in denen wir unsere Forschungsprojekte umsetzen, ist es notwendig, nahe an der Anwendungsorientierung zu sein und damit auch mit der Industrie und Wirtschaft zu kooperieren. Um aber auch neue Technologien und Innovationen in diese Projekte hineinzubringen, ist uns die Zusammenarbeit mit den grundlagenorientierteren Universitäten äußerst wichtig.
Das heißt, eine klassische Konstellation in unseren Projekten sieht eine Zusammenarbeit mit einer Universität und einem Industrie- und Wirtschaftspartner vor. Hier sind natürlich die regionalen Universitäten unsere wesentlichen Partner, darüber hinaus sind unsere Forschungspartner andere außeruniversitäre Forschungsinstitutionen. (...)
e+i: Im Herbst des Vorjahres wurden Sie im Rahmen des Steirischen Landespreises für Kommunikation als Kommunikator des Jahres 2022 ausgezeichnet. Wie gut gelingt es aus Ihrer Sicht der österreichischen Forschungsszene, ihre Ergebnisse und Erfolge zu kommunizieren?
Mayer: Es gelingt uns besser als in der Vergangenheit, aber es ist noch einiges zu tun – so könnte man es zusammenfassen.
Ein Thema ist umso leichter zu kommunizieren, je breiter man die Menschen ansprechen kann, dies betrifft besonders den Bereich Medizin und Gesundheit. Aber auch die Weltraumtechnologie fasziniert viele. Themen wie z. B. Mars-Robotik, wo wir den Robotern das Sehen beibringen, sind immer sehr gut in der Öffentlichkeit zu positionieren.
Für uns geht es jetzt aber auch darum, auf den ersten Blick komplexere Forschungsthemen in der Öffentlichkeit sichtbarer zu machen.
Wir werden künftig versuchen, in der Gesellschaft breiter zu kommunizieren, welche attraktiven Arbeitsplätze wir in den Regionen schaffen, welche Innovationen in der unmittelbaren Umgebung entstehen, mit großer internationaler Wirkung und Sichtbarkeit. (...)
Österreich ist klein, aber im internationalen Vergleich schlagen wir uns äußerst gut – und das gilt es auch zu kommunizieren. (...)
Das vollständige Interview mit Heinz Mayer lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e+i. Als OVE-Mitglied finden Sie die digitale Ausgabe in Ihrem persönlichen Login-Bereich unter "Mein OVE/Mitgliedschaft".