Nachhaltige und wirtschaftliche Energietechnologien weiterentwickeln: Ein Gespräch mit Friederich Kupzog

Die Redaktion der e+i hat mit Friederich Kupzog, Leiter des Center for Energy am AIT,  über das Energiesystem der Zukunft, innovative Lösungen und das Potential der DC-Technologie gesprochen.

e+i: Seit Anfang dieses Jahres leiten Sie das Center for Energy am AIT Austrian Institute of Technology. Welche Aufgabenbereiche hat das Center, und wo wird die Reise hingehen?

Friederich Kupzog: Am Center for Energy beschäftigen sich heute rd. 300 Forscherinnen und Forscher mit der Energieversorgung in verschiedenen Sektoren. Wir decken ein umfassendes Portfolio im Bereich Erneuerbare Energien ab und suchen nach Möglichkeiten, sie noch stärker mit klassischen Energietechnologien und anderen Ansätzen, auch stofflichen Energieträgern, zu verbinden – das ist im Prinzip der nächste Schritt, den wir machen wollen.

Neben der Entwicklung von Technologien haben wir immer auch einen Blick auf den Gesamtprozess, von der Energieaufbringung bis zum Verbrauch. Nur wenn man das gemeinsam betrachtet, kann man das Optimum finden. Elektrische Energie wird zweifelsohne ein zentrales Element im zukünftigen Energiesystem sein, aber natürlich spielen auch andere Energieträger eine wesentliche Rolle, etwa Wasserstoff . Zu den größten Themen, die anzugehen sind, zählt auf jeden Fall die thermische Energieversorgung.[...]
 

e+i: Können Sie uns einen kurzen Einblick in das eine oder andere Projekt geben, an dem Sie und Ihr Team aktuell arbeiten?

Kupzog: [...] Ein paar konkrete Projektbeispiele: Vor Kurzem hat Wienerberger eine hochinnovative Ziegelfabrik in Oberösterreich eröffnet. Wir haben hier eine Lösung entwickelt, wo Trocknerabluft mit Wärmepumpen in den Trocknungsprozess zurückgeführt wird – und das mit einem wirtschaftlichen Vorteil gegenüber dem bisherigen System.

Im Bereich Energieversorgung konnten wir im Jänner das Projekt Industry4Redispatch erfolgreich abschließen. Ziel des Projekts ist der Abruf industrieller Flexibilität, um Kosten beim Redispatch im Übertragungsnetz zu reduzieren. Mit allen relevanten Stakeholdern wurden sowohl systemische als auch technische Lösungen für das industrielle Energiesystem erarbeitet.

Aktuell sind wir außerdem sehr intensiv mit dem Aufbau unseres neuen Labors für hybride Kraftwerkstechnik und Wasserstoff in Seibersdorf beschäftigt. Dort wollen wir im Wesentlichen Batterie-, Elektrolyse- und Brennstoffzellen-Systeme bis zur Leistung im Megawatt-Bereich entwickeln und testen. Dieses Jahr geht es in die heiße Phase und der Bau beginnt.
 

e+i:  In Österreich wird des Öfteren die Kritik laut, dass die Überleitung von Forschungsergebnissen in vermarktbare Produkte nicht im gewünschten Ausmaß funktioniert. Wie könnte diese Überleitung optimiert werden?

Kupzog: Also diesen Befund würde ich sofort unterschreiben. Leider gibt es kein Patentrezept, um das zu lösen, aber es ist ein mehrseitiges Problem, so viel steht fest.

Forschungsgetriebene Wissenschaft ler:innen denken nicht unbedingt gleich an die endgültige Verwertung. Das ist an sich auch nicht notwendig, denn in der Forschung sollen ja neue Ideen entstehen, ob sie nun verwertbar sind oder nicht. Wenn der Praxis-Check dann allerdings erst am Schluss durchgeführt wird, bedarf es oft noch enormen Aufwands, um eine Technologie auch tatsächlich praxistauglich zu machen.

Im Bereich der Finanzierung spricht man oft von einem ‚Tal des Todes‘ zwischen der forschungsmäßigen Fertigstellung und der tatsächlichen Umsetzung. Dieses Tal des Todes habe ich schon in vielen Diskussionen mit Fördergebern in Österreich und Deutschland adressiert. Ein Ansatz, der auch kein Patentrezept, aber definitiv interessant ist, wäre in diesem Zusammenhang ein Reallabor oder Living Lab. Dabei wird eine Technologie schon in der späteren Einsatzumgebung entwickelt und dort testweise verwendet, beispielsweise mit realen Bewohner:innen einer Region, mit realen Netzbetreibern oder Industrieunternehmen, die diese Technologie verwenden sollen. [...]
 

e+i:  Sie sind federführend an der DC-Initiative im OVE beteiligt: Welche Ziele werden damit konkret verfolgt? Wo sehen Sie das Zukunftspotential dieser Technologie?

Kupzog: Wie bereits angesprochen, wird das elektrische Energiesystem in Zukunft eine zentrale Rolle einnehmen, deswegen ist es wichtig, dass dabei auch effiziente und innovative Technologien eingesetzt werden. Die Gleichstromtechnik hat den Vorteil, dass mit der heute verfügbaren Leistungselektronik Kabel und Leitungen besser ausgenutzt werden können, was sowohl eine Erhöhung der Übertragungskapazitäten als auch Materialeinsparungen bewirken kann.[...]

In unserem DC Hub in Seibersdorf wollen wir ein CampusNetz mit DC-Mittelspannung ausführen. Das Besondere an diesem Netz wird sein, dass es nicht nur lokal von uns verwendet wird, sondern dass wir versuchen werden, Unternehmen in der Umgebung anzubinden. Wir möchten die vorhandenen Windkraftanlagen, Lademöglichkeiten, verarbeitenden Betriebe etc. an unser kleines, experimentelles, aber doch zuverlässiges DC-Netz anbinden – und es schaut zurzeit ganz danach aus, dass wir dieses Unterfangen gemeinsam mit der TU Graz und weiteren Partnern umsetzen können.
 

e+i:  Wie können wir aus Ihrer Sicht – realistisch und ideologiebefreit – die Energiewende erfolgreich gestalten, ohne Europa zu deindustrialisieren?

Kupzog: Der Schlüssel liegt sicherlich darin, jene Energietechnologien weiterzuentwickeln, die sowohl nachhaltig als auch wirtschaftlich vorteilhaft sind. Das ist nicht einfach, aber möglich.

Es gibt viele Beispiele, wo das klar darstellbar ist, etwa die Photovoltaik, die inzwischen ohne Förderung möglich ist. Dass die dafür notwendige Infrastruktur nun großteils aus China kommt, ist ein anderes Thema, das können wir nicht mehr ändern. Wir müssen vielmehr schauen, dass das in anderen Bereichen, aus meiner Sicht vor allem bei Hochleistungstechnologien, nicht auch passiert.

Als AIT versuchen wir, [...] wissenschaftlich fundiert Aussagen darüber zu treffen, was in einem System unter welchen Rahmenbedingungen vorteilhaft ist oder nicht.

Ein wesentliches Mittel dafür ist IESopt-Europe, ein Fundamentalmodell, das wir im Haus haben, mit dem wir für die nächsten 10, 20, 30 Jahre unter verschiedensten Annahmen Berechnungen anstellen und daraus zum Beispiel ableiten können, welche No-Regret-Maßnahmen es gibt. Wir erstellen verschiedene Zukunftsszenarien und finden heraus, welche Lösungen in all diesen Szenarien sicher eine Rolle spielen werden.

Das Thema Deindustrialisierung würde ich im Übrigen gar nicht auf die Energiewende beziehen, sondern auf die Innovationskraft Europas. Ein Erstarken dieser Innovationskraft kann auch dem Energiebereich Auftrieb geben – zumindest wenn wir uns bestimmte Dinge trauen. Viele Themen, die wir schon lange diskutieren, werden einfach nicht umgesetzt. Und das ist bis zu einem gewissen Grad die Schwäche, die ich bei uns in Europa verorte, da müssen wir unbedingt raus.

Aus der Sicht des Energieforschers haben wir jedenfalls eine klare Aufgabe: Wir müssen in die Zukunft blicken und zeigen, was im Technologiebereich möglich ist, auch gemeinsam mit den Universitäten.

Friederich Kupzog im e+i Interview
"Viele Themen, die wir schon lange diskutieren, werden einfach nicht umgesetzt. Und das ist bis zu einem gewissen Grad die Schwäche, die ich bei uns in Europa verorte, da müssen wir unbedingt raus."
Head of Center for Energy, AIT

e+i:  Sie bringen Ihre Expertise in unterschiedlichen Organisationen ein, vor allem auch im OVE. Was ist Ihre Motivation für dieses Engagement?

Kupzog: Das Wichtigste ist natürlich – und das ist auch meine größte Motivation –, die unterschiedlichen Akteure der Branche zusammenzubringen. Daraus ziehe ich extrem viel persönlichen und institutionellen Nutzen. Die Kernaufgabe eines Wissenschaftlers oder eines Forschungsinstituts ist ja, zu wissen, was der Stand der Technik ist, wo der Schuh drückt, und sich dann zu überlegen, wie man das adressieren kann.

Wenn es dann einen eigenen Verband für Elektrotechnik gibt, ist das natürlich für den elektrischen Sektor genau der Ort, wo Austausch wichtig ist.

Auch die Standardisierungsarbeit ist ein guter Eintrittspunkt in den OVE, der für uns als Forschungsinstitut enorm wichtig ist. Wir können einerseits aus neutraler Position etwas in die Normung einbringen und bekommen andererseits genau das Feedback, das wir brauchen: Wo steht die Technologie heute, was machen die Akteure und wo gibt es Innovationspotential, das man vielleicht heben kann.

Außerdem ist der OVE ein ausgezeichneter Multiplikator für unsere Themen, und wir haben auch schon viele Dinge gemeinsam gemacht. [...]

Das vollständige Interview mit Friederich Kupzog lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e+i. Als OVE-Mitglied finden Sie die digitale Ausgabe in Ihrem persönlichen Login-Bereich unter "Mein OVE/Mitgliedschaft".