Als Unternehmer hat Erwin Raffeiner mit Sprecher Automation aus einer One-Man-Show eine international erfolgreiche Firmengruppe geschaffen. Die e+i hat mit ihm darüber gesprochen, wie es um den Wirtschaftsstandort Österreich steht, was das Erfolgsgeheimnis seines Unternehmens ist und warum er das Gelingen der Energiewende skeptisch sieht.
e+i: „Industriestandort in Gefahr“ lautete der Titel einer kürzlich veröffentlichten Pressemeldung des FEEI auf Basis einer IWI-Studie, in der das Szenario bis 2030 betrachtet wird. Wie ist es aus Ihrer Sicht um den Standort Österreich bestellt?
Erwin Raffeiner: Ein Blick auf die Eurostat-Landkarte mit den Produktionskosten in Europa genügt: Österreich liegt mit den durchschnittlichen Produktionskosten von 46,10 €/Std. europaweit auf Platz 3.
Unsere östlichen Nachbarn liegen zum Teil bis zu 70 % darunter, der Vergleich mit Drittländern wie China fällt noch viel dramatischer zu unseren Ungunsten aus.
Ich sehe vor allem drei Gründe für diese Kostensituation: Zum einen die hohe Steuer- und Abgabenquote in Österreich, außerdem einen immer schwerer werdenden Bürokratierucksack, der natürlich auch EU-getrieben ist [...]
Der dritte angesprochene Kostentreiber ist aus meiner Sicht die in Österreich – vorsichtig formuliert – ungünstig aufgesetzte Energiewende. Abgesehen davon sind wir auch mit einer steigenden Technologieabhängigkeit konfrontiert. Die Chip-Krise hat eindrücklich gezeigt, wie verletzlich und angreifbar Österreich bzw. Europa ist und welche Konsequenzen es haben kann, wenn wir uns in lebens- und überlebensnotwendigen Versorgungsbereichen in eine derartige Abhängigkeit begeben.
Es wäre fatal, die derzeitige Abhängigkeit bei Öl und Gas mit der Energiewende in eine noch gefährlichere Technologieabhängigkeit von fernen Dritten zu tauschen und damit die „Fernlenkbarkeit“ unserer Wirtschaft noch weiter zu verschärfen.
e+i: Dekarbonisierung und Digitalisierung erfordern hohe Investitionen, die für einen dringend notwendigen Aufschwung der europäischen Wirtschaft genutzt werden könnten. Industrieförderungen und entsprechende Industrie- und Exportpreispolitik führen aber zu wachsenden Importen aus China und steigender Abhängigkeit. Wie kann hier (noch) gegengesteuert werden?
Raffeiner: Möglichkeiten, hier gegenzusteuern, gibt es, aber da beißt sich die Katze sprichwörtlich in den Schwanz: Wir wollen die Energiewende schnell – meines Erachtens viel zu schnell –, und so, wie wir sie jetzt in Europa und speziell in Österreich durchziehen wollen, ist diese Energiewende volkswirtschaftlich nicht leistbar.
Man müsste sie bremsen und Mechanismen installieren, damit der Wertschöpfungsimpuls, den wir aktuell in China setzen, europäischen Produzenten zugutekommt. Im Hinblick auf Cybersecurity wundert mich ja ehrlich gesagt, dass noch so viele Produkte aus asiatischer Produktion in unserer kritischen Infrastruktur eingesetzt werden.[...]
e+i: Ist aus Ihrer Aussage abzuleiten, dass Sie die Rahmenbedingungen für ein Gelingen der Energiewende in Österreich nicht gegeben sehen?
Raffeiner: Es ist unbestritten, dass wir die Energiewende dringend brauchen, um einerseits das Klima zu retten und andererseits die Abhängigkeit von Drittländern bei Öl und Gas zu verringern.
Natürlich bringt die Energiewende wirtschaftliche Gewinner und Verlierer, und wir sind mit Sprecher aufgrund unserer Produktpalette in der glücklichen Lage, auf der Gewinnerseite zu stehen. Aber auch als so genannter Gewinner muss ich ganz klar sagen: Ich bin mehr als skeptisch, dass die Energiewende gelingen kann, zumindest so, wie sie jetzt aufgesetzt ist. Das kann sich nicht ausgehen, weder aus technologischer noch aus volkswirtschaftlicher Sicht.
Es gibt keinen „Businessplan“, die Kosten für die Erreichung der 2030- und 2040-Ziele liegen nicht am Tisch, und die ausführenden Energieunternehmen haben eine indifferente Investitionssicherheit.
Der vorgegebene Takt kann außerdem im technologischen Bereich nur mit massivem Produkteinsatz aus Drittländern gehalten werden, was wiederum weitere Abhängigkeiten, einen Wertschöpfungsverlust in Österreich und der EU sowie viele potenzielle Risiken in puncto Cybersecurity mit sich bringt und darüber hinaus auch ethische Fragen hinsichtlich der Produktionsbedingungen aufwirft.
Insgesamt also ein Dilemma, aus dem es meines Erachtens nur einen Ausweg gibt: Wir brauchen eine Neuaufsetzung der Energiewende-Ziele in Österreich, und zwar nach ökonomischen, ökologischen, sozialen und ethischen Gesichtspunkten.
Außerdem muss ein neuer, realistischer Zeitplan mit volkwirtschaftlich leistbarer Ausprägung und belastbarer Investitionssicherheit für die Energieunternehmen aufgestellt werden.
e+i: Sie haben sich mit Ihrem Unternehmen Sprecher Automation, das seine Produkte zu einem hohen Prozentsatz exportiert, für eine Produktion ausschließlich in Österreich entschieden. Welche Auswirkungen haben die aktuellen wirtschaftlichen Gegebenheiten auf Ihren Betrieb?
Raffeiner: Wir haben das Glück, dass wir uns seit unserer Gründung auf ein Kerngeschäft konzentriert haben: auf den sensiblen Bereich der Digitalisierung von kritischer Strominfrastruktur, also auf das Nervensystem für das Funktionieren der Stromversorgung.
Damit sind wir nicht so stark dem Druck von fernen Drittländern oder Billiglohnländern ausgesetzt, weil unsere Kunden – meist EVUs oder Großindustrie – vor allem im Hinblick auf Cybersecurity und die teils schmerzlichen Erfahrungen mit fragilen Lieferketten lokales Technologie-Know-how und lokale Produktion zu schätzen wissen.
Allerdings haben auch wir Produkte, wo wir die Kostenerhöhung massivst spüren und nur mehr sehr kleine Margen lukrieren können. Natürlich könnten wir hergehen und deshalb beispielsweise Schaltschränke in osteuropäischen Ländern verdrahten lassen – aber das wollen wir nicht.
Wir wollen vielmehr Komplettkunstwerke aus Österreich verkaufen.[...]
e+i: Das Portfolio von Sprecher Automation haben Sie einmal als ausgewogenen Mix zwischen traditioneller Elektrotechnik und Hightech bezeichnet. Welche Bereiche umfasst es?
Raffeiner: Ganz grundsätzlich liefern wir Teilgewerke und Komplettanlagen für die Strominfrastruktur sowie Automatisierungstechnik für die Industrie. Dazu gehört die sogenannte Primärtechnik, das sind Schaltanlagen für Hoch-, Mittel- und Niederspannung. Hier sind wir zum Teil Systemintegrator und haben Partner, mit denen wir zusammenarbeiten.
An unserem einzigen Fertigungsstandort in Linz betreiben wir ein Kompetenzzentrum für Engineering und Produktion von Schaltschränken in unterschiedlichsten Ausprägungen. Außerdem entwickeln und produzieren wir in Linz Geräte und Systeme zur Digitalisierung von Stromnetzen.
Zu all unseren Produkten bieten wir auch die notwendigen begleitenden Services wie Planung, Projektleitung, Engineering, Montage, Inbetriebsetzung und After Sales Services aus einer Hand an.
Erwähnenswert ist auch, dass wir kürzlich einen Großauftrag für fünf Off shore-Windparks mit insgesamt 10 GW erhalten haben, wo wir die komplette Automatisierung der Schaltanlagen auf der Plattform und auch am Onshore-Teil, am Anbindungsteil ans Hochspannungsnetz, durchführen. Weitere Windparks sollen hier folgen.
e+i: Sie engagieren sich sehr stark im Fachverband, sowohl auf Bundesländer- als auch auf nationaler Ebene. Was sind dabei Ihre Schwerpunkte?
Raffeiner: Mein Ziel ist es mitzuhelfen, die Rahmenbedingungen für in Österreich produzierende Unternehmen zu verbessern. Da bin ich teilweise lästig, auch in Richtung Politik.
Wir möchten keine Bevorzugung heimischer Unternehmen, sondern lediglich eine Dämpfung der Nachteile im Vergleich zu Produzenten, die in Drittländern unter ganz anderen Rahmenbedingungen produzieren.
Im Fachverband arbeite ich aktuell an einer Bewusstseinsbildungs-Kampagne mit, die sich an unsere Mitgliedsbetriebe mit all ihren Mitarbeiter:innen richtet: Da die Menschen im Moment noch sehr einseitig informiert sind, zeigen wir auf Basis von Zahlen und Fakten auf, welche Auswirkungen die aufgrund weiterer Kostenerhöhungen sinkende Wettbewerbsfähigkeit haben kann. [...]
Das vollständige Interview mit Erwin Raffeiner lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e+i. Als OVE-Mitglied finden Sie die digitale Ausgabe in Ihrem persönlichen Login-Bereich unter "Mein OVE/Mitgliedschaft".