Energiegemeinschaften als Treiber für vielversprechende Technologien

Sie stellen eine der vielen Zwiebelschichten im Zielbild des Energiesystems der Zukunft dar – Energiegemeinschaften.

Energiegemeinschaften sind der rechtliche und wirtschaftliche Zusammenschluss von mindestens zwei Teilnehmenden, die gemeinsam Energie erzeugen und nutzen. Energiegemeinschaften sollen ein Massenphänomen in Europa werden, um den Ausbau der Erneuerbaren Energie voranzutreiben, die soziale Teilhabe an der Transformation des Energiesystems zu erhöhen, die Versorgungssicherheit durch dezentrale Strukturen zu verbessern und wirtschaftliche Vorteile für die Gemeinschaft zu schaffen.

Darüber hinaus dienen Energiegemeinschaften dazu, die Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine optimale lokale Nutzung von Erneuerbarer Energie fördern. Doch um dies technisch auch umzusetzen, braucht es Systeme, die Verbrauch und Erzeugung innerhalb der Energiegemeinschaften möglichst aufeinander abstimmen, also flexible Verbraucher, die gerade dann den erneuerbaren Strom beziehen, wenn er verfügbar ist.

Verbraucherseitiges Lastmanagement

Das dahinterliegende Konzept des verbraucherseitigen Lastmanagements ist nicht neu, hat aber in den vergangenen 15 Jahren vor dem Hintergrund der Digitalisierung und Energiewende zunehmend an Bedeutung gewonnen. Intelligente Steuerungssysteme für energietechnische Anlagen, wie Wärmepumpen und Klimaanlagen, batterie-elektrische Fahrzeuge oder stationäre Batteriespeicher etc. beschäftigen die Forschung und Entwicklung. Schon heute beobachten wir, wie Energiegemeinschaften als ein Zukunftsmarkt für vielversprechende Technologien, ein wesentlicher Hebel für Innovationen werden.

Doch es geht nicht nur darum einzelne Flexibilitäten bzw. technische Systeme, deren Verbrauch zeitlich verschoben werden kann, so anzusteuern, dass diese möglichst viel lokal erzeugte Erneuerbare Energie nutzen. Vielmehr muss dies im Zusammenspiel des Teilsystems mit den übergeordneten Systemen abgestimmt sein. Nicht nur innerhalb des Gebäudes oder des Quartiers, sondern auch darüber hinaus ist es das Ziel, im Verteilnetz oder den überregionalen Energiemärkten eine optimale Nutzung der Flexibilität zu erreichen. Energiegemeinschaften sind also eine von vielen Zwiebelschichten in einem gut abgestimmten Energiesystem, das auf erneuerbaren und digitalen Technologien aufbaut.

Interoperable Technologien

Ein wesentliches Ziel derzeitiger angewandter Forschungsarbeiten ist es somit, skalierbare, interoperable Technologien zu entwickeln. Damit gelingt es, Flexibilitäten innerhalb von Systemen wie Energiegemeinschaften optimal zu bewirtschaften und verbleibende Flexibilität im übergeordneten Energiesystem nutzbar zu machen. Als Aggregation bezeichnet man den Ansatz, mehrere flexible Verbraucher zu vereinen, um Skalierungseffekte zu erreichen. Das ermöglicht es beispielsweise, auf größeren, überregionalen Märkten und somit in den äußeren Zwiebelschichten des Systems tätig zu werden. Andere Ansätze verfolgen ein weiteres Ziel. Hier geht es darum, möglichst dezentrale Strukturen zu schaffen, in denen einzelne, sehr spezialisierte Systeme in den innersten Zwiebelschichten weitgehend autonom Entscheidungen treffen und sich miteinander abstimmen.

Energetikum der FH Burgenland

Hub4FlECs – ein Wissenschaftshub für flexible Energiegemeinschaften

Das laufende Forschungsprojekt Hub4FlECs (Scientific Hub for Flexible Energy Communities) hat sich zur Aufgabe gemacht, Kompetenzen in diesem Bereich aufzubauen. Die notwendigen Technologien aus der Forschung erleichtern den Sprung in die Praxis. Das Team des Forschungsprojekts Hub4FlECs entwickelt und testet unterschiedliche Ansätze, die nachfolgend vorgestellt werden.

Um eine optimale Verteilung und Nutzung von elektrischer Energie in einer Energiegemeinschaft zu erreichen, kommen modellprädiktive Steuerungen zum Einsatz. Diese Systeme nutzen Vorhersagen über den erwarteten Ertrag der Erzeuger, wie der Photovoltaik-Anlage, und der erwarteten Last durch die Verbraucher, um mittels mathematischer Modelle den zukünftigen Betrieb planen und optimieren zu können.
(vgl. Seiler, Valentin, Lukas Moosbrugger, Gerhard Huber, and Peter Kepplinger. "Assessing model predictive control for energy communities’ flexibilities." In: Intelligente Energie- und Klimastrategien: Energie-Gebäude-Umwelt, no. 30. Holzhausen, 2024)

Sowohl die Vorhersage als auch die Modelle beruhen auf Messdaten, sind also von der zeitlichen Verfügbarkeit der Daten und ihrer Auflösung abhängig. Moderne Ansätze des Maschinellen Lernens wie xLSTM (Extended Long Short-Term Memory) eignen sich besonders gut für die notwendigen Vorhersagemodelle. Um das Erlernen der notwendigen Modelle für spezifische Energiegemeinschaften effizienter und robuster zu gestalten, kommt das Transferlernen zum Einsatz. Die Modelle werden auf einer breiten und allgemein zugänglichen Datenbasis antrainiert. Im spezifischen Einsatz, z. B. in der einen Energiegemeinschaft, lernen diese robusten Basismodelle kontinuierlich anhand aktueller Messdaten und werden so schnell immer präziser.
(vgl. Moosbrugger, Lukas, Valentin Seiler, Gerhard Huber, and Peter Kepplinger. "Improve load forecasting in energy communities through transfer learning using open-access synthetic profiles." In: 2024 IEEE 8th Forum on Research and Technologies for Society and Industry Innovation (RTSI), pp. 31-35. IEEE, 2024, https://doi.org/10.1109/RTSI61910.2024.10761634)

Die Flexibilität vieler energietechnischer Teilsysteme zentralisiert nutzen und bewirtschaften zu können, setzt die Aggregation dieser voraus. Doch die Summe aller Möglichkeiten zu bestimmen, wenn viele Einzelsysteme, wie Batteriespeicher, Elektrofahrzeuge oder Wärmespeicher, zusammengefasst werden, stellt eine mathematische Herausforderung dar. Die aktuelle Forschung liefert Ansätze. Doch im Unterschied zu detaillierten modellprädiktiven Steuerungen müssen viele Spezifika vernachlässigt werden, um übertragbare Modelle zu schaffen, die für unterschiedliche Systeme gelten.
(vgl. Öztürk, E., Kaspar, K., Faulwasser, T., Worthmann, K., Kepplinger, P., & Rheinberger, K. A Python Toolbox for Flexibility Aggregation and Disaggregation: Pyflexad. Available at SSRN 5069018, https://dx.doi.org/10.2139/ssrn.5069018)

Wir können z. B. die Wärmepumpe im Gebäude betrachten, das Gebäude als Teil der Energiegemeinschaft, oder die Energiegemeinschaft innerhalb des Verteilnetzes. Ob in Zukunft die Einzelsysteme zum Wohl des übergeordneten Systems agieren werden können, hängt von vielem ab: der Entwicklung und Umsetzung von standardisierten Schnittstellen, der Schaffung von notwendigen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und, last but not least, der weiteren Forschung und Entwicklung von Technologien.

Hub4FlECs ist ein durch die FFG gefördertes Forschungsprojekt der FHV – Vorarlberg University of Applied Sciences (Forschungszentrum Energie) und der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Burgenland (Center for Energy and Environment, Center for Building Technology). Es entsteht ein Framework zur Simulation von Energiegemeinschaften bei unterschiedlichen Steuerungsansätzen sowie Agenten für die Steuerung unterschiedlicher energietechnischer Anlagen in Gebäuden. Das Energetikum, als interdisziplinäres Living-Lab der Hochschule Burgenland, dient als Reallabor für die im Projekt entwickelten Ansätze (siehe Abb.). Darüber hinaus werden sozioökonomische Aspekte von Energiegemeinschaften untersucht (FFG-Nr. 898053).

Peter Kepplinger
Prof. (FH) Dr. Peter Kepplinger
Head of Energy Research Centre
illwerke vkw

Endowed Professor for Energy Efficiency
Fachhochschule Vorarlberg GmbH University of Applied Sciences