Mit dem früh erworbenen Rüstzeug aus einer, damals noch als Schulversuch geführten, Höheren Lehranstalt für Umwelt und Wirtschaft, in der das Querdenken großgeschrieben wurde, und prägenden Erfahrungen aus dem Auslandsstudium in Neuseeland, begleitet Karin Mottl seit 2012 als Geschäftsführerin mit großer Begeisterung die strategische Ausrichtung und Weiterentwicklung des Energieparks Bruck an der Leitha.
Von der Betreuung (inter-)nationaler Forschungsprojekte bis hin zum Masterprogramm Renewable Energy Systems MSc (CE) mit der TU Wien: Gemeinsam mit ihrem Team steht Karin Mottl für die Entwicklung und Umsetzung neuer Ideen und Konzepte für die Zukunft des Energieparks, denn: Das „Bei-neuen-Dingen-Dabeisein“ zieht sich ein bisschen wie ein roter Faden durch ihr Leben.
OVE Fem: Welchen Berufswunsch hatten Sie als Schülerin und ab wann wussten Sie für sich, wohin es in Sachen Ausbildung/Beruf gehen sollte?
Karin Mottl: Ich wollte Tischlerin werden ☺.
Die Frage nach dem „Ab wann“ ist eine gute – weiß ich das schon ;-)? Ich glaube an lebenslanges Lernen und habe auch schon sehr unterschiedliche Aufgaben gemacht. Die Thematik „Zukunft gestalten – einen positiven Beitrag leisten – etwas mit Technik & Natur“ hat sich im Zuge meiner Schulzeit verstärkt. Sehr stark geprägt hat mich wohl meine Mutter, da sie Gründungsmitglied der Umweltberatung war. Gemeinsam mit meinen Eltern war ich schon als kleiner Zwuckel auf Anti-Atom-Demos.
OVE Fem: Mit der Höheren Lehranstalt (HLA) für Umwelt und Wirtschaft des Zisterzienserstifts Zwettl in Ysper haben Sie einen soliden Grundstein für Ihren weiteren Weg gelegt. Was war das Besondere an dieser Schule?
Mottl: In der HLA habe ich das Querdenken gelernt, ich konnte Sachen ausprobieren – die Ausbildung war wahnsinnig breit: Wir haben vormittags im Physik- und Chemie-Labor herumexperimentiert, mittags Komposthaufen angesetzt und am Nachmittag den Business-Plan für unsere Übungsfirma erstellt. Persönlich habe ich mich in dieser Zeit sehr weiterentwickelt, da ich unter der Woche in Ysper blieb und damit sehr selbstständig wurde. Ich konnte dadurch wachsen und hatte das volle Vertrauen meiner Eltern, damit dies auch möglich war.
OVE Fem: Konsequenterweise folgten auf den Schulabschluss das Bachelorstudium Umwelt- und Bioressourcenmanagement an der BOKU in Wien und danach das Masterstudium Natural Resource Management & Ecological Engineering an der Lincoln University in Neuseeland …
Mottl: Na ja, so konsequent war das Studium gar nicht. Ich habe nach der HLA zuerst acht Jahre bei Connect Austria (ONE, heute Drei) gearbeitet – also eine ganz andere Ecke, aber superspannend. Das Unternehmen war zum damaligen Zeitpunkt quasi noch ein Start-up, und ich war von der Aufbau- bis zur Konsolidierungsphase live dabei – voll spannend! Das „Bei neuen Dingen-Dabeisein“ zieht sich durch mein Leben – auch in der HLA war ich in deren zweiten Umsetzungsjahr quasi vom Start weg dabei. Die Schule war erst ein Jahr vor meinem Eintritt gegründet worden und zum damaligen Zeitpunkt noch ein Schulversuch ohne final anerkannten Abschluss. Spannende Zeit!
OVE Fem: Gibt es aus heutiger Sicht Momente, die Sie besonders geprägt haben und möglicherweise einen Impact auf Ihr heutiges berufliches Ich hatten?
Mottl: Einer der prägendsten Momente für mich war, dass ich mich übers englischsprachige Studium drüber getraut habe (ich war damals grottenschlecht in Englisch und habe mich deshalb bewusst für ein fremdsprachiges Studium entschieden). Prägend war außerdem auch der familiäre Zusammenhalt an der BOKU – wir treffen uns noch heute regelmäßig zum Austausch.
Bedeutend für mich war auch der komplett andere Zugang an der Uni in Neuseeland. Da gibt es keine Vorlesungen, in welchen von Powerpoint-Folien „abgelesen“ wird. In NZ erhält man einige Papers zur Vorbereitung, ackert diese zuhause selbst durch und kommt dann einmal pro Woche mit den anderen Studierenden der jeweiligen Klasse sowie dem/der Professor:in zusammen, um die Inhalte und verschiedene Sichtweisen zu diskutieren – sehr empfehlenswert! Da habe ich deutlich mehr gelernt als in so mancher Vorlesung in Österreich. Außerdem werden die Studierenden inhaltlich viel stärker gefordert: Wir mussten zum Beispiel die Rahmenbedingungen und Kriterien für eine „strategische Umweltverträglichkeitsprüfung“ erstellen – etwas, das es zum damaligen Zeitpunkt noch gar nicht gab. Das war super ☺.
OVE Fem: Seit 2012 arbeiten Sie als Geschäftsführerin des Energieparks Bruck an der Leitha, der 1995 als Verein ins Leben gerufen wurde. Was war die Gründungsidee und was konnten Sie, seit Sie als Geschäftsführerin tätig sind, umsetzen?
Mottl: „Wir zeigen, dass es machbar ist“ – das war die Gründungsidee. Seit 2012 darf ich ein supertolles Team begleiten und vergrößern. Das betrifft die Bereiche (inter-)nationale Forschungsprojekte, regionale Begleitung von 30 Gemeinden bzw. 100.000 Bürger:innen, Realisierung von Modellregionen, Bewusstseinsbildung von Jung bis Alt, Begleitung durch das technische Büro (von der unabhängigen Energieberatung bis zur PV-Simulation), unseren Uni-Lehrgang und unser jüngstes Baby: die 2024 gestartete Energiepark Forschungsstiftung.
OVE Fem: Wie sieht ein typischer Arbeitstag für Sie im Energiepark aus?
Mottl: Zuhören – Begleiten – Erklären – Ideen entwickeln – Hinterfragen – Reden – Entscheiden – Mut zusprechen – Absegnen oder Adaptieren – Begleiten – Zuhören – und viel Kaffee trinken ☺.
OVE Fem: Welche Zukunftsvisionen gibt es anlässlich des bevorstehenden 30-jährigen Gründungsjubiläums?
Mottl: Von 100 % Erneuerbarem Strom für die Region Römerland-Carnuntum zu 100 % Erneuerbarer Energie in Römerland-Carnuntum.
OVE Fem: Stichwort „Energize your future“ – in Kooperation mit der TU Wien betreut der Energiepark Bruck an der Leitha das postgraduale internationale Masterprogramm Renewable Energy Systems MSc (CE). Welche speziellen Kenntnisse werden hier vermittelt?
Mottl: Die Student:innen lernen hier das komplette Handwerkszeug in der vollen Breite um, aus einer anderen Branche kommend, im Bereich Erneuerbare Energie Karriere machen zu können. Und das gemeinsam mit Studienkolleg:innen aus aller Herren Länder, englischsprachig und interdisziplinär. Der nächste Start ist am 7. November, es sind aber nur mehr ein paar Plätze frei.
OVE Fem: Im Oktober findet wieder der von OVE Fem initiierte und mittlerweile schon traditionelle Girls! TECH UP-Erlebnistag statt, an dem Schülerinnen der Unter- und Oberstufe (Elektro-)Technik erleben und ausprobieren können. Welchen Tipp würden Sie jungen Mädchen in der schulischen/beruflichen Orientierungsphase mit auf den Weg geben wollen?
Mottl: Auch wenn es schwerfällt, aber: Entscheide dich nicht für jene Schule/Lehre, die auch die beste Freundin auswählt, sondern triff deine Entscheidung aus dem Bauch heraus. Wenn dein Bauch „Cool“ sagt, bist du richtig!
OVE Fem: Beruflich brennen Sie für Erneuerbare Energie – wie schalten Sie in Ihrer Freizeit am besten ab?
Mottl: Ich setze mich auf’s Gartenbankerl vor meine Bienenstöcke und schaue ihnen fasziniert beim Fliegen zu.
OVE Fem: Danke für das Interview