Mit ihrem bisherigen Karriereweg zeigt Lisa Maria Berger sehr deutlich, was als Frau in der Technik möglich ist: Begonnen hat die Steirerin ihre berufliche Laufbahn als Werkzeugbautechnik-Lehrling – schon damals mit einem klaren Ziel vor Augen: von der Werkstatt ans Zeichenbrett. Somit war ihr weiterer Ausbildungsweg schon vorgezeichnet: Berufsreifeprüfung, berufsbegleitende HTL-Matura, Bachelor- und Masterstudium (ebenfalls berufsbegleitend).
Zwischendurch wurde noch ein Jahr als Au-pair in Amerika eingestreut, um auch die sprachlichen und sozialen Fähigkeiten nicht zu vernachlässigen. Heute arbeitet Lisa Maria Berger als Project Managerin im Design-Bereich bei der AVL List GmbH und ist derzeit vor allem mit der Entwicklung von Brennstoffzellen-Systemen befasst.
OVE Fem: Sie haben sich nach Abschluss der Hauptschule und der anschließenden Polytechnischen Schule für die Lehrausbildung zur Werkzeugbautechnikerin entschlossen? Wie kam es dazu?
Lisa Maria Berger: Ich wusste schon in der Hauptschule, dass ich Konstrukteurin werden möchte. Geometrisch Zeichnen war damals ein Freigegenstand, den ich aber unbedingt besuchen wollte. Mit ca. 14 Jahren war mir klar: Das möchte ich mal beruflich machen.
Im Rahmen meiner Suche nach einer Lehrstelle bin ich über Zufälle auf den Verein Mafalda (Anm. d. Red.:Verein zur Förderung und Unterstützung von Mädchen und jungen Frauen) gestoßen. Dort stand der Start eines neuen Projektes an – „Metallena“. Da habe ich mich sofort beworben und diesen Kurs für sechs Monate besucht. Dabei konnte ich mit ca. 15 anderen Mädchen in die Welt der Technik eintauchen. Wir haben mit Holz, mit elektrischen Bauteilen und mit Metall gearbeitet – entweder in den Räumen von Mafalda oder direkt bei Firmen.
Ein zweiwöchiger Kurs bei Magna hat mich dann auch dazu motiviert, mich dort für die Lehrstelle als Werkzeugbautechnikerin zu bewerben. Der Plan war damals schon, in der Werkstatt zu starten, aber dann ins Büro ans „Zeichenbrett“ zu gehen. Im Nachhinein die beste Entscheidung.
OVE Fem: Welche Erinnerungen an die Lehrzeit haben Sie? Gab es besonders prägende Momente, vor allem als Mädchen in einem doch noch immer männerdominierten Bereich?
Berger: Meine Lehrzeit hat dreieinhalb Jahre gedauert, und über Magna war das keine „normale“ Lehre: Wir haben neben der Berufsschule und der Zeit im Betrieb auch sehr viele Monate immer wieder im Schulungszentrum Fohnsdorf verbracht. Ob Berufsschule oder Fohnsdorf, wir waren dort immer im Internat untergebracht.
So lange Zeit von zuhause weg zu sein, ist in diesem Alter sehr prägend; und dann noch als einziges Mädchen unter 14 Jungs … Aber ich habe eine großartige Ausbildung bekommen – technisch wie auch sozial. Diese Jahre haben mich zu einer starken Frau gemacht, die sich gut behaupten kann. Grundsätzlich habe ich es aber auch nie als Belastung gesehen, das einzige Mädchen unter Burschen zu sein.
OVE Fem: Nach insgesamt sechs Jahren technischen Ausbildungs- und Berufsalltags gab es ein Jahr „technische Auszeit“, die Sie als Au-pair in den USA verbracht haben. Eine völlig neue Welt, oder konnten Sie – zumindest – Teile Ihrer bis dahin erworbenen Fähigkeiten auch in Amerika gut brauchen?
Berger: Ja das trifft es ziemlich – eine ganz andere Welt. Die wichtigsten Fähigkeiten, die man für so einen Auslandsaufenthalt benötigt, sind Selbstsicherheit, Selbstvertrauen und Mut. All das habe ich in meiner Arbeitswelt bereits aufbauen müssen und daher auch mitgebracht.
Mein Jahr in Amerika war die Erfüllung eines langen Traums – ich wollte immer nach Amerika, und mich als Au-pair zu bewerben, war für mich der beste Weg ans Ziel. Aus dem Jahr mitgenommen habe ich dann meine sehr guten Englisch-Kenntnisse, die bei meinem weiteren Weg immer sehr hilfreich waren.
OVE Fem: Auf Ihren einjährigen Auslandsaufenthalt folgten einige Jahre, die durch die Doppelbelastung „Beruf und Ausbildung“ geprägt waren – neben Ihrem Job als Vorrichtungsbaukonstrukteurin absolvierten Sie im Rahmen der Abendschule die HTL-Matura. Wie viel Durchhaltevermögen und Konsequenz brauchte es hierfür? Und, gab es jemals Zweifel?
Berger: Ich habe schon in der Lehre begonnen, meine Berufsreifeprüfung abzulegen. Die HTL danach war eine klare Entscheidung, um meinen Weg zur Konstrukteurinnen-Karriere zu ebnen.
Drei Jahre lang jeweils vier Tage die Woche von 17 Uhr bis 22 Uhr in der Schule zu sitzen und das noch neben einem 40-Stunden-Job, ist natürlich nicht ohne.
Jedoch war das für mich immer ok, denn ich wollte weiterkommen im Leben, und da gehört Schule für mich eben einfach dazu. Ich bin auch immer sehr gerne hingegangen. Die HTL Bulme in Graz ist eine sehr gute Schule, und es gab keinen Tag, an dem ich gezweifelt habe, ob mein Weg der richtige ist. Wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann gehe ich den Weg auch bis ans Ende...
OVE Fem: Mit der HTL-Matura in der Tasche ging es gleich weiter zum Bachelor-Studium „Innovationsmanagement“, worauf auch noch der Master-Abschluss „Engineering and production management“ folgte. Auch diese Ausbildungen erfolgten wiederum berufsbegleitend. Was trieb Sie an?
Berger: Das ist eine gute Frage ... Nach der HTL war mir klar: wenn studieren, dann gleich. Wenn ich hier eine Pause gemacht hätte, wäre das Weitermachen schwer geworden. Auf der Suche nach möglichen weiteren Ausbildungen bin ich auf die FHs gestoßen, die ein berufsbegleitendes Studieren ermöglichen.
Ich habe mir die Frage gestellt, wo mein Weg hingehen soll, und ich wusste, dass ich der Technik nie den Rücken kehren würde, aber eine Zusatzqualifikation aus einer anderen Richtung nicht schaden kann. So bin ich auf Innovationsmanagement gekommen.
Ich kann mich heute noch an das erste Ausbildungswochenende erinnern und daran, als unser Vortragender uns erklärt hat, was wir in den nächsten drei Jahren mit Unterricht am Freitag von 16:00 bis 22:00 Uhr und Samstag von 08:00 bis 16:00 Uhr zu erwarten hätten…
Heute, zurückblickend, die beste Zeit meines Lebens! Großartige Menschen, sehr guter Unterricht, und viele Dinge fürs Leben gelernt. So anstrengend das letzte Semester mit Abschlussprüfung und Bachelor-Arbeit war, es war dann ein großartiges Gefühl, die Ausbildung gemeistert zu haben.
Mein Master-Studium habe ich dann in einem Studienzweig gemacht, der mich einerseits wieder näher zur Technik brachte und mir andererseits auch einen technischen Abschluss ermöglichte. Außerdem wollte ich unbedingt auch das berufsermöglichende System ausprobieren.
In diesen zwei Jahren des Master-Studiums wäre es der Plan gewesen, abwechselnd drei Monate in Vollzeit zu studieren und drei Monate in Vollzeit zu arbeiten. Aber dann ist Corona gekommen, und damit war doch alles anders. Ich habe alle weiteren Phasen des Studiums zuhause mit Online-Lernen verbracht.
OVE Fem: Mittlerweile bekleiden Sie bei AVL die Position der Project Managerin Design – womit sind Sie als solche konkret befasst?
Berger: Als PM-Design arbeite ich tiefer in der Technik, als man es als normaler PM machen würde. Von der Projektgröße abhängig, leite ich ein Team von Designern und Engineers, mit denen ich gemeinsam das Design in 3D und 2D (Fertigungszeichnungen) entwickle. Da ich nach wie vor gerne selbst mit Technik befasst bin und Lösungen gemeinsam mit meinem Team erarbeite, macht mir die Stelle als PM-Design sehr viel Spaß.
In meinem Bereich in der AVL entwickeln wir nicht nur Verbrennungsmotoren, sondern auch Batterie-Systeme und Brennstoffzellen-Systeme. Letztere sind mein derzeitiges Betätigungsfeld. Da die Expertise von Verbrennungsmotoren in der AVL-DNA steckt und es somit genügend Erfahrung gibt, habe ich mich schon bei meiner Bachelor-Arbeit dafür entschieden, in Richtung Brennstoffzelle zu gehen. Mit dieser Entscheidung sind für mich viele neue und innovative Türen aufgegangen.
Ein sehr interessanter Pluspunkt ist, dass die Entwicklungsteams in diesen Bereich einen sehr hohen Frauenanteil haben. Ich freue mich immer wieder, mit anderen Frauen am Tisch zu sitzen und nicht mehr immer die einzige zu sein.
OVE Fem: Was fasziniert und inspiriert Sie am meisten in Ihrem aktuellen Betätigungsfeld?
Berger: Ich liebe es, mit einem großen Team zu arbeiten und gemeinsam mit Kolleg:innen Herausforderungen zu meistern. Ein besonderes Augenmerk lege ich auf meine wenigen weiblichen Designer, die ich auch gerne ins Projekt nehme und fördere. Neben all den technischen Herausforderungen finde ich die Möglichkeit, an der grünen Mobilität von morgen mitzuarbeiten, eine tolle Sache.
Die Entwicklung von neuen Technologien ist immer etwas chaotisch und hektisch, jedoch hat man hier viel mehr Freiheiten, seine eigenen Arbeitsweisen einzubringen. Es ist eben nicht der hundertste Motor, den wir seit Jahren weiterentwickeln, sondern wir beschäftigen uns mit Systemen, die es so am Markt nicht gibt, mit Kunden, die selbst noch nicht viel Erfahrung in diese Richtung haben oder sogar Start-ups sind.
OVE Fem: Sie waren als Expertin bei unserer Girls! TECH UP-Premiere in Graz vor Ort und standen am AVL-Stand als technisches Role Model unseren jungen Besucherinnen Rede und Antwort. Welche Frage(n) haben Sie am öftesten gehört, und wie lautete Ihre Antwort?
Berger: Viele haben gefragt, ob man als Frau überhaupt genommen wird in der Technik, oder was man in diesen Bereich verdient. Auch Fragen zum Ausbildungsweg und welcher denn der richtige ist, kamen öfters. Und: Ich habe allen Mädchen versichert, dass die Technik nach Frauen sucht und dass Frauen in Teams immer sehr geschätzt werden. Da es noch immer viel zu wenige Frauen in diesem Feld gibt, werden sie stärker angeworben – das ist natürlich ein großer Vorteil. Somit sollten sich Mädels auf jeden Fall gut darüber informieren, welche Möglichkeiten, Jobs und Ausbildungen es überhaupt gibt.
Ich erwähne auch gerne, dass jeder Job in der Technik sehr gut entlohnt wird, besonders im Vergleich zu den typischen Frauenberufen wie z. B. als Friseurin, Kellnerin etc.
Was einem jedenfalls bewusst sein und was man bei der Berufswahl immer berücksichtigen sollte: Wenn man etwas jeden Tag acht bis zehn Stunden lang macht, sollte man es gerne tun, da kein noch so gutes Hobby den Frust, der bei einem ungeliebten Job zweifelsohne aufkommt, ausgleichen kann.
OVE Fem: Ihr bisheriger Lebensweg ist geprägt von enormer Energie, die Sie in Ihr berufliches Weiterkommen investiert haben. Wie fanden und finden Sie Ausgleich, um die eigenen Batterien immer wieder neu zu laden?
Berger: Lesen. Bücher begleiten mich schon seit meiner Kindheit, und zu lesen benötigt nicht viel. Sport in Vereinen oder andere zeitaufwendige Hobbies hatten zwischen Arbeit und Schule nie Platz. Seit zwei Jahren bin ich nun fertig mit meiner Ausbildung und seither habe ich viele neue Hobbies ausprrobiert – zeichnen, nähen oder Modellautos bauen – und bin heute auch beim Sport gelandet.
OVE Fem: Vielen Dank für das Interview.