Podiumsdiskussion: European Chips Act

Mikrochips sind eine Basistechnologie für den Wandel hin zu einer digitalen und nachhaltigen Gesellschaft: Ob Smartphone, Waschmaschine oder Reisepass, ob Photovoltaikanlage oder E-Auto – überall sind Mikrochips verbaut. Aufgrund des steigenden Bedarfs und um Europa unabhängiger zu machen, will die Europäische Kommission die Chipproduktion bis 2030 von 10 auf 20 Prozent verdoppeln. Der European Chips Act sieht dafür insgesamt 43 Milliarden Euro an Investitionen vor.

Österreich ist in der europäischen Halbleiterindustrie ein starker Player: Derzeit gibt es hierzulande rund 280 Unternehmen mit gut 72.000 Beschäftigten in der Branche.

  • Welche Rahmenbedingungen braucht die heimische Halbleiterindustrie, damit Österreich diese starke Rolle beibehalten kann?
  • Wie beeinflusst der aktuelle Fachkräftemangel in der Elektro- und Informationstechnik diesen Industriezweig?
  • Inwiefern bedroht das geplante Verbot von so genannten Ewigkeitschemikalien (PFAS) die Chipproduktion? Und wie steht es um mögliche Alternativen?

Diese und weitere Fragen wurden im Rahmen einer OVE Young Engineers Veranstaltung im Infineon Hub am 30.01.2025 beleuchtet.

Schlüsseltechnologie Halbleiter für österreichische Wertschöpfung

Nach der kurzen Begrüßung durch Cornelia Schaupp, die für den OVE durch den Abend führte, starteten mehrere Branchenvertreter mit ihren 10-minütigen Impulsvortägen.

Den Anfang machte Klaus Bernhardt, stellvertretender Geschäftsführer des FEEI Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie und Leiter der Kernbereiche Forschung & Innovation sowie Energie. Er gab einen Überblick über die Halbleiterindustrie in Österreich und den European Chips Act. Eine große Chance sieht er vor allem im Bereich der grünen und digitalen Transformation: von erneuerbaren Energien wie Photovoltaik oder Windkraft über nachhaltige Mobilitätslösungen bis hin zu energiesparenden Technologien. Durch den Einsatz von Energie-Versorgungsnetzen mit Halbleitertechnologie zeigt sich ein riesiges Potenzial in der Energieeffizienz: Bei der Nutzung traditioneller Ansätze wird grundsätzlich mehr Energie benötigt, darüber hinaus gehen rund 70 Prozent der aufgewendeten Energie bei der Übertragung verloren. Im Gegensatz dazu sind erneuerbare Energiequellen wie Photovoltaik und Wind initial schon klimafreundlicher und es können in Kopplung mit intelligenten Technologien zudem ebenfalls 70 Prozent der aufgewendeten Energie genutzt werden.

Klaus Berhardt, FEEI, Energie & Infrastruktur, Forschung & Innovation

▶️ Im internationalen Vergleich liegt Österreich auf Platz 1 hinsichtlich des Anteils der Mikroelektronikproduktion an der Gesamtwertschöpfung, an der Gesamtbeschäftigung und der unternehmerischen Forschung & Entwicklung in der EU.

▶️ In absoluten Zahlen liegt Österreich im EU-Vergleich auf Platz 4 hinsichtlich Wertschöpfung, Beschäftigten, Patentaktivitäten sowie auf Platz 3 bei privaten Investitionen und F&E Investitionen der Unternehmen.

Fachkräfte als wichtigster Hebel für Umsetzung

Als nächstes präsentierte Bernd Deutschmann, Leiter des Instituts für Elektronik an der TU Graz. Thema seines Impulsvortrags: Ein gesamteuropäischer Überblick und welche Rolle der Fachkräftemangel im Zusammenhang mit dem European Chips Act spielt. In den kommenden Jahren steigt der Bedarf an qualifizierten Fachkräften in der Halbleiterindustrie und Elektronikproduktion weiter an. Mehr als 350.000 Fachkräfte werden für die Umsetzung des European Chips Act benötigt. Auch Bernd Deutschmann sieht besonders im Bereich GreenChips und dem dahinter stehenden "Purpose" eine große Chance, um die Expert:innen von morgen für die Branche zu begeistern.

Die Sicht der Industrie bzw. der Herstellerseite lieferte Michael Moitzi, Testingenieur bei NXP Semiconductors Austria, einem niederländischen Halbleiterhersteller. Er gab Einblick in den Standort Gratkorn: ein reiner F&E-Standort, an dem mehr als 85 Prozent der Belegschaft Ingenieur:innen sind und der durch eine enge Zusammenarbeit mit den Universitäten hier große Potenziale erkennt. So auch im Rahmen des Austrian Chips Competence Center, ein neues Kompetenzzentrum für die Halbleiterbranche, das aktuell in der Steiermark und Kärnten entsteht.

Bei der folgenden Podiumsdiskussion kam noch Peter Rössler dazu, Studiengangsleiter Elektronik und Wirtschaft sowie Forschungsschwerpunktverantwortlicher Embedded Systems & Cyber-Physical Systems an der FH Technikum Wien.

Im Zuge der Diskussion wurde auch das Thema PFAS beleuchtet. Diese so genannten Ewigkeitschemikalien stehen im Verdacht, krebserregend und erbgutschädigend zu sein. Sie wurden bereits in österreichischen Gewässern und sogar in Muttermilch nachgewiesen. In der Chipproduktion spielen sie aber eine ganz wesentliche und bis jetzt auch unverzichtbare Rolle. Aus heutiger Sicht können Produktionsprozesse in der Halbleiterindustrie nur sehr langsam PFAS-frei gemacht werden. Die Experten sehen das Verbot der EU aber durchaus als Anreiz für die Industrie, nach Alternativen zu forschen.
 

Fazit

Die Österreichische Halbleiterindustrie ist stark, aber der globale Wettbewerb ist enorm: Die USA und asiatische Länder investieren große Summen in Produktion, Forschung und Entwicklung, gegen die die europäischen Investitionen mager anmuten. Herausforderungen ergeben sich auch durch die Bürokratie auf europäischer Ebene: der Aufwand für die Administration - gerade rund um Forschungsprojekte - ist enorm. Anstatt den Fokus auf Forschung und Entwicklung legen zu können, verbringen hochqualifizierte Fachkräfte ihre Zeit mit administrativen Tätigkeiten und Dokumentation. Fazit aller Branchenvertreter: Der European Chips Act ist ein erster Schritt und - besonders wirtschaftlich gesehen - ein wichtiges Puzzelteil von vielen, weitere müssen rasch folgen.

Wir bedanken uns für die Teilnahme an dieser Veranstaltung und freuen uns auf weitere Diskussionen zu diesem Thema.