e+i aktuell: Digitalisierung der Lehre

LeTTo ist ein mittlerweile sehr erfolgreiches Tool für den MINT-Ausbildungsbereich. Die e+i hat zwei der Köpfe von LeTTo getroffen, Daniel Asch-Goiser und Werner Damböck, und mit ihnen über die Herausforderungen einer neuen Plattform, den Lehrermangel und das Begeistern der nächsten Generation gesprochen.

e+i:  Gemeinsam mit einem weiteren Lehrerkollegen an der HTL St. Pölten haben Sie die digitale Lernplattform „LeTTo“ entwickelt. Was ist LeTTo, und welche Motivation stand hinter der Entwicklung der Plattform?

Daniel Asch-Goiser: Was LeTTo ist, ist relativ einfach zusammengefasst: eine Lern-, Übungs- und Prüfungsplattform für den MINT-Bereich. Unser Fokus liegt primär auf den HTLs und den Berufsschulen bzw. auch Gymnasien und Mittelschulen. LeTTo wird mittlerweile von über 23 HTLs und seit 2020 beispielsweise auch an der TU Wien eingesetzt [...]

Werner Damböck: Unsere Hauptmotivation war zu Beginn, dass es kein Tool gab, das mit Mathematik und vor allem mit physikalischen Einheiten umfangreich umgehen konnte.

Wir waren in der Schule zuerst mit Moodle bestückt und hatten dabei die Problematik, dass Berechnungen zwar funktioniert haben, aber es ließen sich nicht wirklich komplette symbolische Durchrechnungen machen oder notwendige Einheiten verwenden. Als Techniker:in braucht man die Einheiten aber bei sämtlichen Rechenbeispielen. Unser erster Ansatz war, eine Erweiterung für Moodle zu erarbeiten, die das kann.

Allerdings haben wir bald erkannt, dass wir das mit Moodle nicht realisieren können. Darum haben wir uns entschlossen, eine eigene Plattform zu entwickeln, die für den technisch-naturwissenschaftlichen Bereich optimal gestaltet ist und genau das abdeckt, was wir im Unterricht benötigen.

Das war die Grundmotivation. Eine weitere war, die Möglichkeit für den Austausch zwischen Lehrer:innen zu schaffen.
 

e+i:  Was ist das Besondere an LeTTo?

Damböck: Im technischen Bereich müssen Rechenbeispiele durchwegs von Lehrer:innen selbst erstellt werden – und das bedeutet einen enormen Arbeitsaufwand. Für uns wurde somit klar: Wir wollen eine Plattform schaffen, auf der Lehrer:innen sich austauschen und vor allem auch eigene Rechenbeispiele weitergeben bzw. jene der anderen erhalten können.

Ein:e Lehrer:in kann ja nur eine begrenzte Anzahl von Beispielen produzieren. Früher sah das etwa so aus: Ich erstelle ein Beispiel, jede:r Schüler:in bekommt dieses gleiche Beispiel als Hausübung, rechnet es, und ich musste in der nächsten Stunde noch kontrollieren, ob es richtig ist oder wo die Fehler liegen. Das kostet einfach zu viel Zeit und ist auch nicht effektiv.

Mit LeTTo erstelle ich nun ein Beispiel, bekomme auf Knopfdruck 40 unterschiedliche Angaben, d. h. jede:r Schüler:in hat ein anderes Beispiel, kann es nicht mehr von Kolleg:innen abschreiben, sondern muss es selber rechnen und erhält die sofortige Rückmeldung, ob es richtig ist oder nicht.

Je nach Voreinstellung durch die Lehrer:innen bekommt er oder sie dann auch den Rechenweg erklärt. Als Lehrer habe ich dann auf einen Blick die Kontrolle, ob die Aufgabe erledigt wurde und wo allfällige Schwierigkeiten liegen oder der Stoff noch nicht wirklich sitzt. Damit spare ich extrem viel Zeit, die ich nutzen kann, um zielgerichtet das zu unterrichten, was notwendig ist.

Asch-Goiser: Auch die Schüler:innen profitieren von der unmittelbaren Rückmeldung, die entweder als Erfolgserlebnis die entsprechenden Botenstoffe im Gehirn freisetzt oder den Ehrgeiz weckt, im zweiten oder dritten Anlauf die richtige Lösung zu finden.

Wichtig ist dabei natürlich auch die Rolle der Lehrkraft: LeTTo soll Lehrer:innen unterstützen, aber niemals ersetzen! [...]

Daniel Asch-Goiser im e+i Interview
"Wir wissen inzwischen aus Erfahrung, dass unser Tool bei richtigem Einsatz die Noten um fast einen ganzen Notengrad verbessern kann."
Geschäftsführer LeTTo und Lehrer an der HTL St. Pölten


e+i:  LeTTo gibt es nun seit 13 Jahren. Welche Ziele haben Sie sich für die Zukunft der Plattform gesetzt?

Asch-Goiser: LeTTo ist mittlerweile nicht mehr nur ein Lern- und Prüfungsprogramm, sondern eine Gesellschaft – und diese wird heuer um die Komponente Wirtschaft erweitert.

Das heißt, wir werden dafür sorgen, dass Lehrer:innen und Wirtschaftstreibende mit den Lehrlingsbeauftragten an einem Tisch sitzen, um gemeinsam an Lösungen für den immer dringlicher werdenden Fachkräftemangel in Österreich zu arbeiten.
 

e+i:  Als Leiter des e-Racing-Teams an der HTL St. Pölten initiieren Sie, Herr Asch-Goiser, auch Projekte von Schüler:innen, die über den klassischen Unterricht und die Schulstunden hinausgehen, beispielweise die E-Motorisierung eines alten Traktors oder aktuell eines VW Käfers. Wie gelingt es, die Schüler:innen dafür zu begeistern, sich auch außerhalb des Unterrichts zu engagieren?

Asch-Goiser: Wir versuchen, sehr praxisnah zu arbeiten. Ich bin davon überzeugt, dass das Wort „begreifen“ von „angreifen“ kommt, und das ist in der Elektrotechnik nicht ganz einfach, weil man ja nicht überall hingreifen darf. Aber wenn man 16- oder 17-jährigen Schüler:innen sagt, baut euer Elektroauto selbst, dann dürft ihr auch damit fahren, dann ist die Motivation eine andere, im Unterricht aufzupassen.

Um die Schüler:innen zu begeistern, fahren wir mit ihnen in der dritten Klasse zur Formula E. Bis jetzt sind wir dort als einzige Schule der Welt Aussteller gewesen. [...]

Das Niveau im Racing-Team ist sehr hoch: Stromrichter, die hier als Abschlussarbeiten entwickelt werden, sind mit Abschlussarbeiten an einer Universität vergleichbar. So kann es auch vorkommen, dass aus 20.000 Bewerber:innen für Red Bull Racing drei Elektrotechniker:innen aufgenommen werden und eine:r davon aus unserem Rennteam kommt.[...]

Einer unserer Schüler, Davut Evsen, ist aktuell in Milton Keynes und dort an der Entwicklung eines Formel-1-Boliden von Red Bull für Max Verstappen im Jahr 2026 beteiligt. Man wurde auf ihn aufmerksam, weil er zum richtigen Zeitpunkt, während eines Online-Vortrags, zwei Fragen gestellt hat, woraufhin der Vortragende ihn kontaktiert hat und wissen wollte, warum er solche Fragen stellt. [...]
 

e+i:  Und was ist für Sie als Lehrende die Motivation für diese Zusatzaufgaben?

Asch-Goiser: Als mein vorhin erwähnter Schüler mich angerufen hat, weil er einen Zeugen für seinen Arbeitsvertrag mit Red Bull brauchte, wusste ich, hey, da hast du was richtig gemacht. [...]

Es ist einfach irrsinnig cool, wenn die Schüler:innen mit ihren Aufgaben wachsen und sich weiterentwickeln. Wenn sie in einem Fachgebiet irgendwann mehr können als du selbst.

Wenn sie am Tag der offenen Tür mit dir reden wollen und sich dreimal bedanken. Warum ist das so? Weil wir die Jugendlichen ehrenamtlich auch außerhalb unserer Arbeitszeit unterstützen. [...]

Damböck: Meine größte Motivation sind die Gesichter der Schüler:innen, wenn sie etwas geschafft haben. Wenn man sieht, sie hängen sich rein, machen etwas und haben Erfolg dabei. Da freut man sich immer mit ihnen.

Es war auch immer Ziel unserer Abschlussarbeiten, dass Schüler:innen zeigen, was sie gelernt haben und was sie können. Da haben sie enorme Freiheiten, sie können das machen, was sie am meisten interessiert. Dadurch kommen auch tolle Sachen raus. [...]

Werner Damböck im e+i Interview
"Meine größte Motivation sind die Gesichter der Schüler:innen, wenn sie etwas geschafft haben."
Programmierer bei LeTTo und Lehrer an der HTL St. Pölten


e+i: In den fachtheoretischen Fächern gibt es einen immer größer werdenden Mangel an Lehrkräften. Wie kann man Fachleute motivieren, ihren Beruf zugunsten der Lehre aufzugeben?

Asch-Goiser: Um mehr Fachkräfte als Lehrer:innen anzuwerben, muss man die Rahmenbedingungen und vor allem den Um- und Einstieg attraktiver gestalten. Es ist schade, dass manche den Schritt wagen, in die Schule zu gehen, und sich dann wieder umentscheiden, weil sie sagen, dass es im vorherigen Beruf doch besser war.

Damböck: Bei uns in der Elektrotechnik ist es jetzt besonders kritisch, weil auch die Industrie Techniker:innen sucht. Jede:r Techniker:in, der/die in die Schule wechselt, geht in der Industrie ab. Darum ist es eine gute Lösung, wenn Fachkräfte parallel zu ihrem Beruf in der Wirtschaft einige Stunden in der Schule unterrichten – so haben beide Seiten etwas davon.

Beim Einstieg in die Lehrer:innen-Tätigkeit kann LeTTo jedenfalls eine große Unterstützung sein, das haben wir bereits von einigen unserer Jungkolleg:innen gehört. Wenn jemand anfängt, die Grundlagen der Elektrotechnik zu unterrichten, bekommt er oder sie gleich zu Beginn die kompletten Rechenbeispiele für das ganze Jahr über LeTTo zur Verfügung gestellt. Ein Kollege hat uns gesagt, hätte er LeTTo nicht gehabt, hätte er wieder aufgehört, denn ohne wäre das für ihn nicht zu schaffen gewesen.[...]

Das vollständige Interview mit Daniel Asch-Goiser und Werner Damböck lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e+i. Als OVE-Mitglied finden Sie die digitale Ausgabe in Ihrem persönlichen Login-Bereich unter "Mein OVE/Mitgliedschaft".