Damit die Energiewende gelingen kann, muss Österreichs Energieinfrastruktur stark ausgebaut und angepasst werden. Als Richtschnur dafür gilt der österreichische Netzinfrastrukturplan, dessen finale Fassung bis Ende des Jahres vorliegen soll. Im Rahmen einer Pressekonferenz des OVE Österreichischer Verband für Elektrotechnik forderten Experten heute eine rasche Konkretisierung. Leistbare nachhaltige Energie sei ein wichtiger Standortfaktor für Österreichs Industrie und Wirtschaft. Eine große Herausforderung bei der Umsetzung der Energiewende sei der zunehmende Fachkräftemangel.
Nach den Turbulenzen am Energiemarkt im vergangenen Jahr üben hohe Energiepreise nach wie vor großen Druck auf den Wirtschaftsstandort aus. Staatliche Eingriffe in anderen europäischen Ländern bzw. in wichtigen Exportmärkten bedrohen die heimische Wertschöpfung und bringen vor allem den exportorientierten Unternehmen einen großen Wettbewerbsnachteil. Die Politik müsse das gesamteuropäisch in den Griff bekommen und klare Rahmenbedingungen schaffen, forderte OVE-Präsident Kari Kapsch heute im Rahmen einer Pressekonferenz im Vorfeld der OVE-Energietechnik-Tagung in Klagenfurt. „Energiekostenzuschüsse können nicht der Weisheit letzter Schluss sein, wir brauchen Rahmenbedingungen, auf die wir uns langfristig verlassen können.Wir dürfen nicht hinnehmen, dass massive Ungleichheiten im Energiemarkt unseren Wirtschaftsstandort gefährden und die Abwanderung von Industrie ins Ausland fördern.“ Leistbare nachhaltige Energie sei ein wichtiger Standortfaktor, die Umsetzung der Energiewende habe daher hohe Priorität.
Das Energieversorgungssystem befindet sich aktuell in einem umfassenden Transformationsprozess, der alle Sektoren umfasst. Eines steht dabei fest: Ohne kapazitätsstarke Stromnetze kann die Energiewende nicht gelingen. Um die Versorgungssicherheit, Leistbarkeit des Energiesystems, die Verfügbarkeit von preisgünstigem Strom sowie die Elektrifizierung von Gesellschaft, Wirtschaft und Industrie für die Zukunft sicherzustellen, ist ein rascher Ausbau der Infrastruktur auf allen Ebenen notwendig. „Der Erfolg der Energiewende entscheidet sich im Stromnetz“, betonte APG-Vorstand Gerhard Christiner: „Neben dem Netzausbau bedarf es einer umfassenden Gesamtsystemplanung inklusive einer Speicherstrategie sowie einer gleichzeitig abgestimmten digitalen Transformation aller Akteure des Energiesystems. Damit schaffen wir genügend Kapazitäten und ein intelligentes digitales Gesamtsystem, in dem die Flexibilität einzelner Akteure nutzbar gemacht wird und so die Integration volatiler erneuerbarer Energien versorgungssicher gelingt. Wir fordern daher, dass dem Ausbau der Netzinfrastruktur oberste Priorität eingeräumt wird und die schon lange in Diskussion stehenden Gesetze zur Beschleunigung der Genehmigungsverfahren endlich beschlossen werden.“
Die Energiewende stellt komplexe Anforderungen an das Energiesystem der Zukunft. Es gelte einen Mix an unterschiedlichsten Technologien zu integrieren sowie intelligente und systemische Lösungen umzusetzen, betonte Kelag-Vorstand Reinhard Draxler. Er verwies dabei auf aktuelle Projekte der Kelag, etwa die Photovoltaik-Anlage Sonnen.Wiese in Klagenfurt, den Windpark Soboth und Steinberger Alpe sowie das Wasserkraftwerk Kolbnitz. Darüber hinaus würden auch Infrastrukturprojekte wie der Glasfaserausbau in Kärnten, der 110-kV-Ring Mittelkärnten und der Ausbau der Fernwärmeversorgung von Villach mit erneuerbarer Energie zum Gelingen der Energiewende beitragen. All diese Energie- und Infrastrukturprojekte seien wichtige Wirtschaftsimpulse für die Region, so Draxler im Rahmen der Pressekonferenz: „Die Energiewende ist sichtbar. Sie schafft Unabhängigkeit, Versorgungssicherheit, Standortsicherung und leistet aktiven Klimaschutz.“
Voraussetzung für eine erfolgreiche Energiewende ist die Forschung an und Entwicklung von innovativen Technologien sowie deren Umsetzung. Die Branche der Elektrotechnik- und Informationstechnik gilt in diesem Zusammenhang als Schlüsselbranche. Eine große Herausforderung stellt aktuell der Fachkräftemangel dar: In der gesamten Branche fehlen rund 14.000 Fachkräfte, alleine in der Energiewirtschaft sind es rund 2.000* – Tendenz stark steigend. Elektrotechniker:innen mit Schwerpunkt Energietechnik werden besonders dringend gesucht. Mangelberuf Nummer eins in Österreich ist „Diplomingenieur:in für Starkstromtechnik“: Auf 116 offene Stellen kommen nur 16 Arbeitssuchende. Zwar investieren die Unternehmen bereits stark in die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter:innen, doch in erster Linie sei das Bildungssystem gefordert, so Kapsch: „Aus der Elektrotechnik kommen die Technologien für eine nachhaltige Zukunft. Wir brauchen daher dringend mehr Fachkräfte, die diese Technologien einzusetzen wissen. Das gesamte Bildungssystem braucht einen klaren Technik-Fokus.“
Angesichts der angespannten Lage am Arbeitsmarkt legt der OVE aktuell einen Schwerpunkt auf das Thema Nachwuchsförderung. Die österreichweite Kampagne „Join the Future“, die gemeinsam mit Branchenpartnern initiiert wurde, richtet sich vorwiegend in den Sozialen Medien an Schülerinnen und Schüler, die vor ihrer Berufsentscheidung stehen. Die kurzen Online-Videos werfen einen Blick auf herausragende Persönlichkeiten und Innovationen der Vergangenheit und zeichnen ein zeitgemäßes Bild der Elektrotechnik und der vielen Möglichkeiten, die das Berufsfeld heute bietet. Auf der Website www.zukunftserfinderinnen.at können Interessierte durch die vielfältigen Themenfelder navigieren. Mit LET’S TECH und Girls! TECH UP beheimatet der OVE schon seit Jahren erfolgreiche Nachwuchsinitiativen. Auch die OVE-Energietechnik-Tagung legt traditionell einen Fokus auf den Fachkräftenachwuchs: Jedes Jahr werden die OVE-Energietechnik-Preise für herausragende Abschlussarbeiten vergeben.
* Studie Industriewissenschaftliches Institut, Dezember 2022
Eschenbachgasse 9
1010 Wien