Teilzeitarbeit soll sanktioniert werden – oder nun doch nicht? Diese Aussage unseres Arbeits- und Wirtschaftsministers hat in den letzten Wochen hohe Wellen geschlagen und erneut eine Debatte über Voll- und Teilzeit ausgelöst.
In bisherigen Diskussionen war auch immer wieder die 4-Tage-Woche im Spiel, die mit einer Reduktion der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich die Gleichstellung der Geschlechter forcieren soll; zusätzlich fördert sie den Erhalt der Arbeitsfähigkeit und damit wiederum die Produktivität in Unternehmen. Ist sie die Antwort auf den Fachkräftemangel?
Nichtberücksichtigung der demographischen Entwicklung
Der Terminus „Fachkräftemangel“ hat mittlerweile in jedes Unternehmen Einzug gehalten. Schon vor Jahren prophezeit, jetzt sind alle geschockt. Die vielen Statistiken rund um unsere demographische Entwicklung haben sich bewahrheitet.
Einige Unternehmen haben vorgesorgt und bereits vor einiger Zeit Maßnahmen getroffen, um sich auf diese Situation vorzubereiten. Andere nicht, und deren Klageschreie sind ziemlich laut. Sie schallen bis hin zur Politik, die sich nun bemüßigt fühlt, hier einzugreifen.
Doch zuerst wurde einmal laut gedacht, und das direkt in eine Fernsehkamera hinein. Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher forderte – offenbar unüberlegt – Sanktionen für alle in Teilzeit Arbeitenden, und dies in Form von Kürzungen/Streichungen bei Sozialleistungen.
Der Aufschrei ließ nicht lange auf sich warten – zurecht! Denn der ehemalige IHS-Chef sollte die Zielgruppe und damit die Zahlen, die hinter der Teilzeitarbeit in Österreich liegen, sehr gut kennen.
Teilzeitarbeit ist weiblich
Laut Statistik Austria liegt die Teilzeitquote bei Frauen bei 49,6 %, bei Männern jedoch bei nur 11,6 % (2021). Die Gründe für diesen immensen Gap liegen klar auf der Hand: Frauen, die in Österreich besser gebildet sind und sogar einen höheren Akademisierungsgrad als Männer aufweisen, erleben spätestens nach der Schwangerschaft einen gewaltigen Bruch in ihrer Biografie.
Aufgrund fehlender Kinderbetreuungsangebote, aber auch basierend auf dem Bedürfnis nach mehr Familienzeit, wird die Entscheidung für eine Teilzeit-Stelle getroffen – freiwillig, aber auch oftmals unfreiwillig. Der größte Teil der (unbezahlten) Care-Arbeit wird immer noch von Frauen gestemmt.
Müsste der Staat diese für ihn wichtige Arbeit bezahlen, würde dies immens hohe Kosten verursachen. Frauen, die dies unbezahlt schultern, wären stark von den angedachten Kürzungen der Sozialleistungen betroffen und würden somit doppelt bestraft. Und alles nur, weil sie Kinder bekommen, von denen der Staat aber wiederum profitiert. Die Quadratur des Kreises.
Zu viel Arbeit macht krank!
Nicht nur Frauen wären hiervon stark betroffen, sondern vor allem auch die junge Generation bzw. all jene, die sich mehr Work-Life-Balance wünschen und sich somit auch bewusst Zeit für Familie, Freunde, Hobbys, Träume u. v. m. nehmen möchten.
Erst kürzlich habe ich in einem Business Podcast für Unternehmer:innen folgende Aussage mitbekommen: „Work-Life-Balance ist nur für jene, die ihren Job hassen.“ Eine sehr harte, aber vor allem gefährliche Aussage, bedenkt man die steigenden Zahlen von psychischen Erkrankungen am Arbeitsplatz: Depression, Burnout, Versagensängste u. v. m. sind längst ins Office eingezogen.
Arbeit kann krank machen! Und zwar nicht nur jene, die von vielen als „schwach“ stigmatisiert werden. Im Gegenteil, es kann uns alle treffen.
Ein Blick in die Vergangenheit gibt Aufschluss über die Gründe: Vor einigen Jahr waren 60 bzw. 48 Arbeitsstunden pro Woche die Normalität. Erst durch harte Kämpfe und viele Diskussionen von Arbeiter:innen und Gewerkschaften sind wir nun bei 40 Arbeitsstunden pro Woche angekommen. Eine Reduktion der Wochenarbeitszeit ist somit Teil der Evolution.
Speziell in den letzten Jahren hat sich durch die immense Entwicklung der Technologien in allen Teilen unserer Arbeitswelt die Geschwindigkeit des Arbeitens extrem gesteigert – die Arbeitszeit ist aber gleichgeblieben. Mehr Arbeit in der gleichen Zeit also. Dass dies auf Dauer nicht gut gehen kann, gerade weil auch keine Besserung in Sicht, sondern eher das Gegenteil der Fall ist, liegt klar auf der Hand.
Die Arbeitswoche der Zukunft hat 4 Tage
New Work bedeutet, den Menschen und seine Bedürfnisse und Wünsche in den Mittelpunkt zu stellen. Dazu gehört es auch, ein Umfeld zu schaffen, welches zum Erhalt der Arbeitsfähigkeit beiträgt und nicht dazu führt, auszubrennen. Der Zukunftsforscher Tristan Horx hat dies kürzlich in einem LinkedIn-Posting wie folgt ausgeführt:
„Auch Arbeitnehmer:innen sollten vom Fortschritt profitieren, nicht nur die Chef:innen. Alle Studien zeigen, dass bei reduzierter Arbeitszeit Menschen glücklicher und leistungsfähiger sind, weniger Krankenstände haben und vor allem keinen Produktivitätsverlust erleiden. Wer mit Blick auf den Fachkräftemangel mehr Bewerber:innen haben möchte, sollte Teilzeit bei voller Entlohnung in Betracht ziehen. Dann treten einem die Bewerber:innen förmlich die Tür ein, und alle sind glücklicher. Das Argument ist ganz klar eines der Produktivität und des Umsatzes, nicht eines der Moral. Das kann nicht genug betont werden.“
Die größte Studie zur 4-Tage-Woche wurde erst kürzlich in Großbritannien durchgeführt: 61 britische Firmen mit fast 3.000 Angestellten nahmen teil. Die Umstellung steigerte das Wohlbefinden der Belegschaft und hielt die Produktivität aufrecht.
Es gibt aber auch bereits Beispiele aus Österreich: Ein Unternehmen, welches die Wochenarbeitszeit reduziert hat und somit nur 4 Tage pro Woche arbeitet, ist die Berufsorientierungsplattform Whatchado. Wie es dazu kam, welche Learnings es für den CEO gab und welche New Work-Pläne er für die Zukunft hat, gibt’s übrigens auf karrieregefluester.com nachzulesen. Whatchado ist nur eines von vielen Beispielen, die es in Österreich gibt.
Autor und New Work-Experte Martin Gaedt hat sich im gesamten deutschsprachigen Raum umgehört und 151 Unternehmen gefunden, die eine reduzierte Wochenarbeitszeit bei gleichem Gehalt und Lohn bereits leben – und dies über alle Branchen hinweg. In seinem neuesten Buch „4-Tage-Woche“ lässt er alle zu Wort kommen und über ihre Erfahrungen sprechen.
Zeit für New Work!
Teilzeit ist also das neue Vollzeit – und es passe in unsere Zeit! Unsere Arbeitsbedingungen haben sich gerade in den letzten Jahren so schnell und in jenem Maße verändert, dass gerade die Gesetzmäßigkeiten hier nicht mehr hinterhergekommen sind.
Remote Work, Home-Office, Workation, aber auch individuelle Schichtpläne sowie mehr Eigenverantwortung in der Arbeitsplanung passen oft mit unseren gültigen Gesetzen nicht mehr zusammen bzw. geben viel Raum für Spekulation.
Die Fürsorgepflicht der Arbeitgeber:innen können diese aufgrund der rasanten Technologisierung unserer Arbeitswelt nicht genügend abdecken. Es wird Zeit, den nächsten Schritt in Richtung Evolution zu gehen, der uns allen vor allem ein gesünderes und längeres Leben bescheren wird.
Als Soziologin & Business Coach hat sich Andrea König mit ihrem Blog „Karrieregeflüster | Dein Trend-Echo aus der neuen Arbeitswelt“ zum Ziel gesetzt, New Work erlebbar zu machen. Seit über zehn Jahren ist sie bereits im Bereich Human Resources im Umfeld eines Großkonzerns tätig. Dabei hat sie schon zahlreichen Menschen geholfen, sich in der neuen Arbeitswelt entwickeln und entfalten zu können. Ihren Antrieb holt sie sich aus ihrem Gespür für Trends und gesellschaftsrelevante Themen sowie ihrer Empathie und ihrer Leidenschaft für die Arbeitswelt der Zukunft.
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