Wolfgang Bösch ist Professor und Leiter des Instituts für Hochfrequenztechnik an der TU Graz, Dekan der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik und seit 2023 OVE-Vizepräsident. Die e+i hat mit ihm über aktuelle Herausforderungen der Branche und mögliche Lösungen gesprochen.
e+i: Sie sind seit Juni des Vorjahres als Vizepräsident Teil des OVE-Präsidiums – welche Themen sind hier für Sie von besonderer Bedeutung? Und warum ist eine Institution wie der OVE auch nach mehr als 140 Jahren so wichtig?
Wolfgang Bösch: Der OVE hat mit seinen beiden großen Bereichen Standardization und Certification eine enorm wichtige gesellschaftliche Funktion, vor allem im Hinblick auf die Globalisierung. [...]
Was mich am OVE in den vergangenen Jahren beeindruckt hat, ist der Strategieprozess, der 2018 gestartet wurde und dessen Ziele seither konsequent verfolgt und umgesetzt werden. Als Vizepräsident werde ich gerne dazu beitragen, die Verbandsstrategie in den nächsten Jahren weiterzuentwickeln.
Aufgrund seiner Unabhängigkeit bietet sich der OVE auch bestens als Sprachrohr der Branche an. Diese Rolle könnte durchaus noch erweitert werden, etwa durch das Erstellen von Whitepapers gemeinsam mit Partnern aus Wissenschaft und Industrie und durch die vermehrte Einbindung des OVE in Ausschreibungen von FFG oder FWF.
Mir persönlich liegen vor allem die Aktivitäten zur Minderung des Fachkräftemangels am Herzen. Es ist ungemein wichtig, das Image der Elektrotechnik zu ändern, und dazu müssen wir alle an einem Strang ziehen. Der OVE hat dabei eine Koordinationsaufgabe in der gemeinsamen Branchenkampagne Join the Future übernommen und bietet auch mit seinen eigenen Nachwuchsinitiativen ein attraktives Angebot für die jugendliche Zielgruppe. [...]
e+i: An der TU Graz leiten Sie das Institut für Hochfrequenztechnik – wo liegen die Forschungsschwerpunkte des Instituts?
Bösch: [...]An unserem Institut gibt es verschiedene Forschungsgruppen, wobei unsere Schwerpunkte die passiven Komponenten in der Hochfrequenztechnik, die RFID-Technologien und komplexe breitbandige Hochfrequenzmesstechnik sind. Ein paar an der TU Graz bestehende Gruppen habe ich übernommen, etwa die Radargruppe, die sich mit der kundenspezifischen Visualisierung und Aufbereitung von Wetter- und Radardaten befasst.
Eine weitere Gruppe beschäftigt sich mit Flugsicherung und arbeitet an Softwaremodellen zur Nachbildung der Fluginfrastruktur in Europa. Außerdem bieten wir Consulting im Bereich Wellenausbreitung an, wenn es zum Beispiel darum geht, die Auswirkungen von Solaranlagen und Windkraftanlagen auf die Luftsicherung und auf das Radarecho zu untersuchen.
Ein besonderes Highlight unseres Instituts ist das CD-Labor „Technology Guided Electronic Component Design and Characterization”, kurz TONI. Gemeinsam mit unseren Firmenpartnern schauen wir uns passive Komponenten an, etwa Filter und Antennen, die enorm wichtig sind und nach wie vor zu wenig Beachtung finden. Schließlich steigt der weltweite Datenfluss immer noch exponentiell an, rd. 95 % der Kommunikation und der Datenübertragung sind drahtlos – und für eine drahtlose Übertragung braucht man die Hochfrequenztechnik.
e+i: Mit dem European Chips Act verfolgt die Europäische Kommission das Ziel, Europas Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz im Bereich der Halbleiter zu steigern. Was kann Österreich dazu beitragen?
Bösch: Europa hat leider in der Vergangenheit die Halbleiterproduktion zum überwiegenden Teil nach Asien ausgelagert und kaum noch Produktionsstandorte am europäischen Kontinent. Durch Covid-19 und andere Krisen haben wir nun aber gesehen, dass wir in völlige Abhängigkeit geraten sind und wollen eine Trendumkehr schaffen. [...] Europa hat derzeit global gesehen ungefähr 10% Marktanteil und möchte diesen in den nächsten fünf Jahren auf 20% steigern – der European Chips Act soll dazu beitragen, dieses Ziel zu erreichen. Die größte Hürde ist dabei der Mangel an qualifizierten Fachkräften.
Auf die Frage, wie der Beitrag Österreichs aussehen kann, gibt es aus meiner Sicht zwei mögliche Antworten: Im Chips Joint Undertaking der EU ist unter anderem die Einrichtung von länderübergreifenden Competence Centers vorgesehen. Hier gäbe es zum Beispiel in der Steiermark mit ihren Halbleiter-Industriebetrieben unter Einbindung der Universitäten und anderer Partner großes Potenzial. Auf der anderen Seite könnte Österreich einen wertvollen Beitrag leisten, wenn es um die Ausbildung von Ingenieur:innen geht, die über die erforderlichen Fertigkeiten verfügen. Das EU-Projekt GreenChips-EDU, das Bernd Deutschmann vom Institut für Elektronik an der TU Graz leitet, zielt genau darauf ab. [...]