Gerald Steinbauer-Wagner, Professor an der TU Graz und Präsident der GMAR, spricht im e+i-Interview über Herausforderungen in der Robotik, die Schwerpunkte der GMAR und sein Engagement für die Techniker:innen von morgen.
e+i: Die GMAR ist in ihrer Rolle als Vertretung des Branchensegments Mess-, Automatisierungs- und Robotertechnik sehr engagiert und erfolgreich. Was macht diesen Erfolg aus Ihrer Sicht aus?
Steinbauer-Wagner: Eindeutig das Netzwerk, das sich da gebildet hat, und die Balance aus Firmen und Wissenschaftler:innen innerhalb dieses Netzwerks. Eine Gruppe, die wir noch in das Netzwerk hereinholen möchten, sind die HTLs, um den Nachwuchs noch besser repräsentieren zu können.
Im Bereich der Firmen werden wir den Fokus verstärkt auf Unternehmen ausweiten, die die Robotik nutzen.
Wir wollen unseren Mitgliedern jedenfalls die Möglichkeit des Austauschs und der Vernetzung bieten, von der Forschung über die Produktion bis hin zu den potenziellen Anwender:innen und dem Branchennachwuchs – und dabei sind wir experimentierfreudig im positiven Sinn und probieren immer wieder neue Formate aus. Vieles davon läuft sehr gut, etwa der Austrian Robotics Workshop, ERAT – European Robotics and Automation Talks oder die Bodensee-Gespräche. [...]
e+i: Sie leiten die Research Group on Autonomous Intelligent Systems (AIS) am Institut für Softwaretechnologie der TU Graz. In welchen Bereichen finden diese autonomen intelligenten Systeme vor allem Anwendung, und wo liegen die großen Herausforderungen?
Steinbauer-Wagner: Soweit ich es durch meine Forschung sehe, werden mobile autonome Systeme aktuell vor allem in den Bereichen Logistik und Warenhäuser erfolgreich eingesetzt. Auch in der Produktion spielen autonome intelligente Systeme natürlich eine Rolle. Hier ist es oftmals das Ziel, von vorgegebenen Fertigungsstraßen wegzugehen in Richtung individualisierte Fertigung – die Königsdisziplin wäre natürlich, von heute auf morgen komplett umstellen und etwas anderes produzieren zu können. In der Forschung arbeiten wir in diesem Bereich mit der smartfactory@tugraz, einer Forschungs- und Lernfabrik an der TU Graz, zusammen.
Was mich in dem Zusammenhang umtreibt, ist natürlich auch die Umgebung von Robotern: In einer Halle funktionieren viele Dinge bereits, doch was passiert, wenn wir aus der Halle rausgehen, in einem ersten Schritt beispielsweise auf unseren Campus, der ja immer noch ein gewissermaßen geschützter Bereich ist, und uns dort bewegen? Und wie sieht es aus, wenn wir den nächsten Schritt machen und den urbanen Raum nutzen? Das sind auch die Themen, wo die großen Herausforderungen liegen, aus technischer und regulatorischer Sicht.
Regulatorisch gibt es viele offene Fragen, was die Rechtslage betrifft, selbst bei uns am Campus, und auch auf der technischen Seite haben wir noch viel Arbeit vor uns. Im Bereich der Wahrnehmung, also dem Verstehen der Umgebung, um daraus Schlüsse zu ziehen, gibt es noch einige Schwierigkeiten. [...]
Robotern fehlt der so genannte Hausverstand, im Englischen Common Sense. Die Maschinen haben nicht das Hintergrundwissen, das wir Menschen haben – wir müssen viele Dinge nicht explizit kommunizieren, weil wir über diesen Common Sense verfügen.
Außerdem arbeiten wir Menschen oft mit Annahmen, d. h. auch wenn ich nicht alles weiß, kann ich meinen Alltag gestalten. Und sollte eine Annahme einmal nicht (mehr) stimmen, ändere ich sie eben. Das sind Fähigkeiten, die Robotern derzeit fehlen. [...]
Was uns auch sehr stark beschäftigt, ist die Frage der Transparenz. Für einen breiten Einsatz der Robotik ist es extrem wichtig, Vertrauen und Akzeptanz der User zu schaffen, und das wird nur mit Transparenz gelingen. Die Maschine muss klar machen, warum sie etwas tut, und es muss auch verständlich sein, wie sie intern zu einer Entscheidung kommt. Mit dem AI Act konnten hier bereits einige zentrale Punkte festgelegt werden.
e+i: Eine Funktion, die Sie an der TU Graz ebenfalls innehaben, ist die des Studiendekans der noch relativ jungen Studienrichtung Digital Engineering. Was ist das Besondere an diesem Studium?
Steinbauer-Wagner: Als ich das erste Mal davon gehört habe, war ich – ganz gegen meine Natur – eher skeptisch, weil ich dachte, dass es sich um eine Art Mechatronik-Studium handelt. Das tut es aber nicht: Es geht vielmehr um die Digitalisierung des Engineering-Prozesses. Mit einer Kombination aus Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik wird vermittelt, wie moderne Technologien in das Ingenieurwesen einfließen.
Das Studium Digital Engineering ist durchaus anspruchsvoll, weil sehr viele Grundlagen aus allen drei Disziplinen enthalten sind, aber es kommt bei den Studierenden sehr gut an. [...]
e+i: Die GMAR war auch heuer wieder Mitveranstalter des LET’S TECH Day zum Thema Robotik, Automatisierung und KI. Welche Rolle spielt die Nachwuchsarbeit in der GMAR?
Steinbauer-Wagner: Eine sehr große. Die Aktivitäten für den Nachwuchs sind in einer eigenen Arbeitsgruppe gebündelt, beispielsweise organisieren wir da eine Summer School für Studierende.
2026 wird die ICRA – International Conference on Robotics and Automation, eine der größten und wichtigsten Robotikveranstaltungen der Welt, erstmals in Wien stattfinden. Die weitreichende Sichtbarkeit dieser Veranstaltung wollen wir nutzen, um in ihrem Umfeld die österreichische Robotik zu präsentieren und auch den RoboCupJunior abzuhalten.
Bei den Nachwuchsaktivitäten ist es enorm wichtig, die Lehrerinnen und Lehrer mitzunehmen. Deshalb bieten wir an der TU Graz entsprechende Workshops für Pädagog:innen an, die aufgrund ihrer Qualität mittlerweile auch als offizielle Fortbildungen anerkannt werden. [...]
Das vollständige Interview mit Gerald Steinbauer-Wagner lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e+i. Als OVE-Mitglied finden Sie die digitale Ausgabe in Ihrem persönlichen Login-Bereich unter "Mein OVE/Mitgliedschaft".
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