Die Energiewende stellt uns vor enorme Herausforderungen, und das in unzähligen Bereichen. Als Geschäftsführer der Wiener Netze, einem Unternehmen mit mehr als zwei Millionen Kund:innen, ist Gerhard Fida mit vielen davon konfrontiert. Die e+i hat mit ihm über mögliche Lösungsansätze gesprochen.
e+i: Ihr Vortrag bei der diesjährigen OVE-Energietechnik-Tagung trug den Titel "Gas raus - Strom rein?". Wie kann diese Transformation gelingen?
Gerhard Fida: Mit dem Fragezeichen in meinem Vortragstitel wollte ich zunächst einmal den All Electric Society-Ansatz hinterfragen, der momentan in vielen Diskussionen auftaucht. Ich bin der Ansicht, dass wir zu allererst andere vorhandene Potenziale, beispielsweise bei Biomasse oder Fernwärme, nutzen sollten. Dort, wo das nicht geht, ist dann natürlich eine weitere Elektrifizierung unseres Lebens notwendig, um das Gelingen der Energiewende zu ermöglichen.
Dazu brauchen wir aber drei Dinge: erstens den – möglichst bundeseinheitlichen – politischen Willen und gesetzlichen Rahmen, zweitens die erforderlichen Investitionen selbst, und drittens eine Vielzahl kompetenter Fachkräfte, die diese Energiewende auch stemmen können – von Monteur:innen bis zu Diplom-Ingenieur:innen. (...)
Was die erforderlichen Investitionen betrifft, muss uns bewusst sein, dass es sich um große Summen handelt, die auf uns alle zukommen. Die Energiewende gibt es schließlich nicht zum Nulltarif.
e+i: Was heißt das konkret?
Fida: Wir müssen die Fernwärme- und Stromnetzinfrastruktur ausbauen und brauchen zusätzliche Werkzeuge für das Stromnetz-Monitoring und den Stromnetz-Betrieb. Das heißt, wir brauchen auch ein Regulierungssystem, das die Aufwendungen für das Monitoring und den Betrieb gleich stark würdigt wie Investitionen. (...)
Außerdem ist es notwendig, die Stromnetztarife für Haushaltskund:innen den neuen Gegebenheiten anzupassen: Jene Kundinnen und Kunden, die hohe Leistungen aus dem Stromnetz beziehen, z. B. beim Schnellladen eines Elektroautos, müssen fairerweise auch einen Tarif mit einem starken Leistungsanteil bezahlen, weil die Stromnetze hier stärker belastet sind und auch stärker ausgebaut werden müssen.
Im Gegenzug wird ein gleichmäßig niedriger und tageszeitlich günstiger Strombezug durch preiswertere Tarife belohnt, wenn z. B. mehr Sonnen- oder Windstrom produziert wird als benötigt, vergleichbar etwa mit früheren Nachtspeicherheizungen.
e+i: Das Fehlen von Fachkräften zählt zu den größten Herausforderungen beim Bewältigen der Energiewende. Was kommt hier auf uns zu?
Fida: Für das Errichten, Warten und Bedienen der neuen Anlagen braucht es eine hohe Zahl an zusätzlichen Fachkräften – nicht nur bei den Netzbetreibern, sondern auch in der Bau- und Anlagenwirtschaft . Immerhin muss in den nächsten Jahren die Leistung der Stromnetze verdoppelt werden. (...)
Wir haben in der Branche nicht ausreichend Fachkräfte, um das alles bewältigen zu können. Auch wenn wir doppelt so viele Mitarbeiter:innen ausbilden würden wie heute, wären es noch zu wenige. Ein mögliches Werkzeug ist daher aus meiner Sicht eine Teil-Qualifikation, also Ausschnitte aus dem Berufsbild eines Lehrberufs, die eine:n Mitarbeiter:in zu bestimmten Tätigkeiten befähigen. Das würde uns mehr Spielraum verschaffen.
e+i: Sie zeichnen für ein städtisches Energienetz mit mehr als zwei Millionen Kund:innen verantwortlich – welche Herausforderungen im Hinblick auf die Versorgungssicherheit bringt das mit sich, vor allem in der aktuellen Situation?
Fida: Unser Netz und unser Equipment werden laufend am Stand der Technik gehalten, regelmäßig erneuert und wo notwendig ausgebaut. Natürlich ist das in einem derart großen Netz nicht an allen Ecken gleichzeitig möglich. Mit einer von der E-Control ermittelten Versorgungssicherheit von 99,99 % und durchschnittlich nur 18 Minuten Stromausfall pro Jahr sind wir aber Spitzenreiter in Österreich.
Bei Ausfällen kommt uns die Digitalisierungsoffensive, die wir schon vor einiger Zeit gestartet haben, zugute, vor allem im Niederspannungs- und Mittelspannungsnetz. So können wir beispielsweise relativ rasch erkennen, wo ein Baum in eine Freileitung hineingefallen ist. Die größten Feinde der Versorgungssicherheit sind ja bekanntlich die drei Bs: der Baum, der Bagger und der Blitz. (...)
e+i: Die Wiener Netze sind Teil der Wasserstoff -Strategie der Wiener Stadtwerke. Wie sieht die Rolle Ihres Unternehmens konkret aus? Und was macht Wasserstoff so besonders?
Fida: Eine zentrale Herausforderung, mit der wir uns im Zusammenhang mit dem Erneuerbaren-Ausbau auseinandersetzen müssen, ist das Speichern von Energie. Wir werden an Tagen mit viel Wind oder viel Sonne auch entsprechend viel Strom zur Verfügung haben, mit extremen Leistungsspitzen.
Es wäre doch sinnvoll, diese Energie auch zu nutzen, vielleicht mit einem saisonalen Speicher. Wenn wir in diesem Zusammenhang an gasförmige Speichermöglichkeiten denken, kommen wir zwangsläufig zum Thema Wasserstoff, wobei ich hier ausschließlich von Grünem Wasserstoff spreche.
Wasserstoff bietet vielfältige Möglichkeiten: vom Betreiben von Bussen und Autos über die Erzeugung von Strom bis hin zum Einspeisen in das Gasnetz. Diese Vielfalt spiegelt sich auch in der Wiener Wasserstoff -Strategie wider, mit der wir unter dem Dach der Wiener Stadtwerke-Gruppe die gesamte Wasserstoff -Wertschöpfungskette abdecken. Auch an weiteren Produktions- und Einsatzmöglichkeiten forschen wir gemeinsam. (...)
e+i: Der OVE hat kürzlich zum bereits dritten Runden Tisch zum Thema Energiegemeinschaften geladen, an dem auch Sie teilgenommen haben. Welche Themen standen dabei auf der Agenda?
Fida: Für uns sind Energiegemeinschaften zweifellos ein wichtiger Treiber der Energiewende. Sie ermöglichen vielen Kund:innen Zugang zu erneuerbaren Energiequellen, auch wenn ihre Wohnsituation nicht die notwendigen technischen Ressourcen aufweist.
Die Grundidee ist einfach skizziert: Jemand erzeugt Strom, jemand anderer kauft diesen Strom. So weit, so gut. Allerdings gibt es bei der Ausgestaltung der Energiegemeinschaften einige Punkte, die noch definiert werden müssen, etwa das Datenmanagement betreffend.
Mit den Runden Tischen im OVE haben wir jetzt eine Expert:innen-Plattform gefunden, wo wir uns mit allen offenen Punkten beschäftigen und sie diskutieren können. Dabei geht es auch um Fragen der Netzdienlichkeit von Energiegemeinschaften oder um Fragen der Standardisierung, die natürlich auch für den OVE von großem Interesse sind.
e+i: Im September fand ein OVE Fem-Netzwerktreffen auf Einladung der Wiener Netze statt . Wie sehen die Maßnahmen zur Frauenförderung in Ihrem Unternehmen aus?
Fida: Um mehr Frauen für die Technik zu begeistern, setzen wir auf unterschiedlichen Ebenen an: Wir suchen ganz gezielt auch weibliche Lehrlinge und bieten Frauen, die ihren angestammten Beruf nicht mehr ausüben möchten, Unterstützung in der Umschulung zur Technikerin an. (...)
Wir achten darauf, insgesamt ein familienfreundlicher Arbeitgeber zu sein und haben hier auch bereits Auszeichnungen und Zertifizierungen erhalten. Flexible Arbeitszeiten oder Karenzzeiten für Väter und Mütter sind bei uns möglich und werden gut angenommen. Die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, besteht bei uns nicht erst seit der Covid-Pandemie.
Damit wir mehr Technikerinnen gewinnen, müssen wir künftig Stellenausschreibungen so gestalten, dass Frauen sich auch eingeladen fühlen – hier gibt es in unserer Branche durchaus noch Optimierungspotenzial.
Außerdem brauchen wir mehr Role Models, wir sollten also die wenigen Frauen, die wir in der Technik haben, noch mehr vor den Vorhang holen.
Das vollständige Interview mit Gerhard Fida lesen Sie in der neuen Ausgabe unserer Verbandszeitschrift e+i. Als OVE-Mitglied finden Sie die digitale Ausgabe in Ihrem persönlichen Login-Bereich unter "Mein OVE/Mitgliedschaft".
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