Fast 600 Interessierte nutzten am 13. Mai die Gelegenheit, Nobelpreisträger Ferenc Krausz live zu erleben. Bei der dritten High Profile Lecture von OVE und TU Wien hielt dieser einen Vortrag über Attosekunden-Technologie. OVE-Mitglieder konnten exklusiv mit dabei sein.
Sichtlich emotional kehrte Ferenc Krausz für die gemeinsame Veranstaltung von OVE und TU Wien an seine frühere Wirkungsstätte zurück. „Diese Zeit war die schönste meines Lebens, privat wie beruflich“, so der Nobelpreisträger über seine Jahre an der TU Wien. Im Kuppelsaal am Karlsplatz warf er einen Blick zurück auf herausragende Physiker von Joseph Thomson über Niels Bohr, Louis de Broglie und Erwin Schrödinger bis zu Max Born. Seine Forschung basiere auf deren Erkenntnissen, so Krausz: „Wir stehen auf den Schultern von Riesen, wenn wir versuchen, in der Wissenschaft etwas voranzubringen.“
Das Wichtigste in der Wissenschaft sei es, die richtige Frage zu finden, betonte der Nobelpreisträger. Für seine Forschung lautete diese: Kann Bewegung in atomaren Dimensionen der menschlichen Wahrnehmung zugänglich gemacht werden?
Im Jahr 2001 war es schließlich soweit und die Frage konnte mit Ja beantwortet werden: Erstmals gelang es, Elektronenbewegungen mithilfe der Attosekunden-Technologie der menschlichen Beobachtung zuzuführen.
In seinem Vortrag gab Ferenc Krausz einen lebhaften und kurzweiligen Einblick in die unterschiedlichen Stationen seiner Forschung und Herausforderungen bei der Weiterentwicklung der Technologie.
Damit sie der Allgemeinheit zugutekommen kann, müsse seine Technologie nun nutzbar gemacht werden, so Krausz. Seine neue Forschungsfrage lautet daher: Was kann die Attosekunden-Technologie zum Health-Screening beitragen? Weltweit sterben jährlich rund 17 Millionen Menschen an nicht übertragbaren Krankheiten wie etwa Krebs oder Diabetes. Ziel ist es, auf Basis von Bluttests mithilfe der Attosekunden-Messtechnik frühzeitig spezifische Informationen verfügbar zu machen und auf diese Weise die Früherkennung dieser Krankheiten zu revolutionieren.
Im Rahmen einer Studie wurden über Jahre hinweg die Blutproben von Lungenkrebs-Patienten mit jenen einer Kontrollgruppe verglichen. Es galt herauszufinden, ob diese Signaturen der Krankheit in sich tragen, die mithilfe von Infrarot-Impulsen sichtbar gemacht werden können (electric field molecular fingerprinting). Mittlerweile steht fest: Lungenkrebs hinterlässt einen deutlichen „Fingerprint“ im menschlichen Blut, die Blutproben von Lungenkrebspatienten unterscheiden sich klar von jenen der Kontrollgruppe.
Derzeit wird intensiv an der Weiterentwicklung der Technologie gearbeitet, um die Fehlerquote weiter zu reduzieren. Das Trainieren eines Algorithmus mithilfe von Maschinellem Lernen soll es künftig möglich machen, Lungenkrebs anhand einer Blutprobe frühzeitig zu erkennen.
Mehr als 250 Interessierte waren bei der dritten High Profile Lecture im Kuppelsaal der TU Wien am Karlsplatz mit dabei, über 300 verfolgten die Live-Übertragung im Hörsaal EI7 am Campus Gußhaus.
Mit Anton Zeilinger, Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2022, mischte sich ein besonderer Ehrengast unter die Teilnehmenden im Kuppelsaal.
Ferenc Krausz erntete für seinen Vortrag minutenlange Standing Ovations und stand im Anschluss noch lange für Diskussionen und Fotos mit dem Publikum zur Verfügung.
Mit Hilfe der so genannten „Attosekunden-Fotografie“ war es erstmals möglich, die schnellsten Phänomene der Natur zu verfolgen und zu steuern: die Bewegung von Elektronen und deren Wechselwirkung mit Lichtwellen. Vorher unzugängliche Dimensionen von Raum und Zeit, Quantenphänomene sowie grundlegende Phänomene der klassischen Physik wurden damit erstmals direkt beobachtbar.
Die Attosekundenphysik und ihre innovativen Lasertechnologien eröffnen völlig neue Möglichkeiten, darunter etwa hunderttausendfach schnellere Elektronik, optimierte Solarzellen oder innovative medizinische Diagnostik.
Das attoworld-Team von Ferenc Krausz fördert die Verbreitung des neu entstehenden Bereichs der Attosekunden-Wissenschaft und erforscht seit 2015 dessen Nutzen für die Erforschung der menschlichen Gesundheit.
Ferenc Krausz absolvierte sein Studium der Elektrotechnik an der Technischen Universität Budapest und schloss danach sein Studium der theoretischen Physik an der Eötvös Loránd Universität ab. Anschließend promovierte er an der TU Wien, wurde Professor an der Fakultät für Elektrotechnik und Informationstechnik und baute dort eine sehr erfolgreiche Arbeitsgruppe auf.
Seit 2003 ist er Leiter des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik in Garching bei München und Inhaber des Lehrstuhls für Experimentalphysik - Laserphysik an der Ludwig-Maximilians-Universität.
Eschenbachgasse 9
1010 Wien