OVE Fem-Interview mit Daniela Krainer

Porträt Daniela Krainer, ENABLE, Active and Assisted Living, FH Kärnten

Als diplomierte Ergotherapeutin mit einer „gewissen Technikaffinität“ entschied sich Daniela Krainer mit dem Studium Health Care IT an der Fachhochschule Kärnten für ein weiteres berufliches Standbein.

Seit 2014 war sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Studienbereich Engineering & IT und ab 2023 im Studienbereich Gesundheit und Soziales an der FH Kärnten tätig – mittlerweile hält sie die Position einer Senior Researcher und Lektorin und leitet gemeinsam mit einem Kollegen die Forschungsgruppe ENABLE mit Fokus auf digitalen Gesundheitslösungen, Telerehabilitationsapplikationen und -prozessen sowie Assistenz-Technologien.

Personifizierte Schnittstelle zwischen Menschen und Technik – Sprachrohr und Übersetzerin

OVE Fem: Aus technischer Sicht begann Ihre Laufbahn eher untypisch: Mit der „Reife- und Diplomprüfung für Kindergärten und Horte“ in der Tasche, entschieden Sie sich für eine Ausbildung zur Ergotherapeutin und waren auch einige Jahre als solche tätig. Wann und wie kam der Schwenk zur Technik?

Daniela Krainer: Ich hatte immer schon eine gewisse Technikaffinität, bereits in der Ausbildung (1997) war ich die Erste und lange die Einzige, die alles am PC machte oder einen Laptop mithatte. Mein Gatte studierte ebenfalls Technik, und während meiner Tätigkeit als freiberufliche Ergotherapeutin kam mir die Idee, mit ihm gemeinsam ein Therapiespiel zu programmieren. Es war natürlich sehr naiv zu denken, dass das einfach so funktioniert. Tatsächlich klappte es „irgendwie“, und das war dann wohl auch der Zündfunke zum Technikstudium.
 

OVE Fem: Für Ihre weitere Ausbildung wählten Sie das Studium der Medizinischen Informationstechnik im Bachelorstudium und darauf aufbauend das Diplomstudium Health Care IT an der FH Kärnten. Mit welchen Herausforderungen oder Hürden waren Sie während Ihrer Studienjahre konfrontiert?

Krainer: Die Grundlagen der Mathematik, der Elektrotechnik oder der Informatik forderten mich im ersten Semester sehr. Ich kann mich an viele lange Nächte erinnern. Denn das muss man verstehen, man muss sich damit auseinandersetzen und diskutieren und üben. Aber um so schöner war dann das Gefühl, es verstanden zu haben. Im technischen Bereich wird es nie langweilig.

Abgesehen davon, dass natürlich viel zu lernen war, war es ein äußerst spannendes und lehrreiches Studium. Ich durfte eine ganz neue Welt betreten und für mich entdecken.


OVE Fem: Im Rahmen von Praktika und Projektarbeiten konnten Sie ersten Erfahrungen als angehende Technikerin sammeln. Gibt es hier ein Erlebnis, das für Ihre weitere Karriere prägend war? Inwiefern?

Krainer: Projektarbeiten und Praktika, die mit Datenanalyse zu tun hatten oder Data Science im Generellen, faszinierten mich. Ich dachte damals, das wird mein Berufsfeld. Aber wirklich prägend war dann mein Berufspraktikum bei CEIT Raltec. Da lernte ich, meine Professionen miteinander zu verbinden.
 

OVE Fem: Sie sprechen die Ausbildung zur Ergotherapeutin in Kombination mit Ihrem technischen Studium an?

Krainer: Ja, in diesem Berufspraktikum kam ich zum ersten Mal mit dem Thema Active & Assisted Living in Berührung. Ich arbeitete an Forschungsprojekten mit, die – ganz kurz gesagt –„Technik für Menschen“ entwickelten. Um genauer zu sein: Technologien, die ältere Personen in ihrem Alltag, ihrer Gesundheit oder Sicherheit unterstützen. Dazu benötigt es ein Verständnis für den Alltag und für die Bedarfslagen, aber es braucht auch jemanden, der die Bedarfe, die Ängste und die Wünsche in technische Ideen und Konzepte übersetzen kann. Als ehemalige Ergotherapeutin nahm ich sofort die Schnittstelle zwischen Menschen und Technik ein, sozusagen als Sprachrohr und Übersetzerin.

Das Schöne ist, dass man Entwicklungen gemeinsam mit und ganz nah am Menschen erleben und deren Auswirkungen hautnah spüren kann. Man kann sie von der Idee bis zum funktionierenden Prototyp verfolgen.

Man lernt sehr viel dabei und sieht einen vollständigen Prozess mit allen Hürden, Potentialen und „Aha-Erlebnissen“ auf allen Seiten. Man spürt die Faszination der Menschen in der Interaktion mit Robotern, oder sieht die Freude, wenn Ängste überwunden werden und Personen stolz sind, selbstständig und selbstbewusst etwas Neues zu verwenden, das sie im Alltag unterstützt.


OVE Fem: Seit 2014 sind Sie als lehrende Lektorin tätig, einerseits an Ihrer Stamm-FH, der FH Kärnten, zusätzlich zwischenzeitlich auch an der FH Campus Wien sowie seit 2023 an der FH Wiener Neustadt. Was schätzen Sie an dieser Tätigkeit im Allgemeinen sowie an der Interaktion mit Studierenden im Speziellen?

Krainer: Durch die umfangreiche Projekterfahrung kann ich Lehrinhalte in vielen Facetten beleuchten, sehr viel aus der praktischen Arbeit berichten und einen lebendigen Dialog führen.

Am meisten schätze ich, wenn wir gemeinsam Technologien kritisch beleuchten und Studierende ihren Blickwinkel erweitern oder verändern, vielleicht auch eigene Vorurteile abbauen und Technologien reflektiert und offen gegenüberstehen. Denn genau das braucht es:  Menschen, die der Digitalisierung offen und reflektiert gegenüberstehen und diese durchaus kritisch beleuchten, um darauf basierend dann Entscheidungen zu treffen, die ihre eigene Lebensrealität oder den Alltag anderer Menschen durch Technologien positiv verändern.


OVE Fem: Neben Ihrer Lehrtätigkeit sind Sie Senior Researcher und leiten als solche gemeinsam mit einem Kollegen die Forschungsgruppe ENABLE für Gesundheit, Pflege und Inklusion.  Mit welchen Agenden sind Sie in Ihrer Position befasst?

Krainer: Die Agenden reichen von Projektakquise, Projektdurchführung bis hin zur Teamführung, also alles rund um Projektmanagement.

Besonders bereichernd finde ich, dass wir vom Team her sehr breit aufgestellt sind, d. h. wir haben Personen aus Therapie, Psychologie, Gesundheitswissenschaften und Medizintechnik. Daher können wir uns auch inhaltlich mit mehreren Themen rund um Prävention in der Gesundheitsförderung, Bewegungsanalyse und Telemedizin, mit Betreuung und Pflege und natürlich mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen befassen. Aber auch Forschungsethik und Technikethik werden bei uns adressiert und zählen zu unseren Agenden.


OVE Fem: Sie waren bisher an zahlreichen Studien und Projekten beteiligt, Ihre Publikationsliste beansprucht einige Seiten, und auch berufsbegleitend sind Sie sehr umtriebig: Vorstandsmitglied bei raltec, der „Research Group for Assisted Living Technologies“, Mitglied im Arbeitskreis Ethik von AAL Austria sowie Vizepräsidentin der Österreichischen Innovationsplattform AAL Austria. Was spornt Sie an?

Krainer: Ich glaube, es sind zwei wesentliche Dinge. Auf der einen Seite treibt es mich an, wenn unsere Ergebnisse Menschen erreichen, wenn wir das Gefühl haben, wir konnten was bewirken –  sei es den Alltag unterstützen, Perspektiven erweitern oder andere Forschende oder Entwickelnde zu Neuem inspirieren. In unseren Forschungsprojekten arbeiten wir partizipativ, d. h. es gibt kontinuierlichen Kontakt zu den Zielgruppen. Dieser ständige Austausch und die ehrlichen Rückmeldungen sind eine wunderbare Motivation.

Auf der anderen Seite treibt mich das „Wir“ an. Wir arbeiten seit Anfang an als Team, das sich wertschätzt, unterstützt, auffängt, gemeinsam Spaß hat. Die Durchführung von Forschungsprojekten ist natürlich zeitweise sehr intensiv, aber wenn man füreinander da ist und sich vertrauen kann, dann macht das Wirken Spaß.

Und ähnlich ist es mit meinen Tätigkeiten bei AAL Austria oder raltec: Das gemeinsame Wirken, etwas verändern zu können und zusammen am selben Strang zu ziehen – das gibt Motivation.


OVE Fem: Mit OVE Fem holen wir technische Role Models vor den Vorhang, nicht zuletzt, um mit ihrer Hilfe Mädchen für Technik zu begeistern. Welchen Rat geben Sie als Pädagogin und Technikerin weiblichen Jugendlichen in der Berufsorientierungsphase?

Krainer: Auf die eigene Intuition und das „Bauchgefühl“ hören! Wenn ein Gedanke erst mal gesät ist, dann sollte man ihn wachsen und gedeihen lassen und sehen, wohin er führt und sich dabei niemals schon im Vorfeld durch irgendwelche gesellschaftliche Normen oder auch Ängste bremsen lassen.

Und abgesehen davon sollte man sich in Sachen Berufs- oder Studienwahl gut informieren und mehrere Meinungen einholen. Wenn es die Möglichkeit gibt, irgendwo zu schnuppern, ist das eine sehr gute Chance, einen Beruf besser kennenzulernen.


OVE Fem: Wie entspannen Sie sich am besten nach einem arbeitsintensiven Tag?

Krainer: Inzwischen, aber erst seit ein paar Jahren, mit Sport und regelmäßiger Bewegung. Abgesehen davon auch beim Fotografieren – zuhause oder auf Reisen.

Im letzten Jahr konnte ich eine großartige Erkenntnis gewinnen: Man kann, auch wenn man auf dem Land lebt, wunderbar den öffentlichen Verkehr nutzen; ich fahre vielleicht länger, aber dafür entspanne ich mich bereits bei der Heimfahrt, z. B. mit guter Musik.

Und: Auf dem Weg von meiner Arbeitsstelle zum Bahnhof habe ich bisher noch kein einziges Mal den Bus genommen, denn 20 Minuten Gehen, in der Früh und am Abend, haben eine wunderbare Entspannungswirkung


OVE Fem: Vielen Dank für das Interview.

Proträt Daniela Krainer, FH Kärnten, ENABLE
Dipl.-Ing. Daniela Krainer
Ergotherapeutin & Medical Engineer
Senior Researcher & Lecturer
Studienbereich Gesundheit und Soziales
FH Kärnten

Co-Leitung Forschungsprojekt ENABLE

Forschungsfelder/ Kompetenzbereiche

  • Partizipative Forschung zu digitalen Gesundheitslösungen
  • Akzeptanz von Technologien und User Experience 
  • Telerehabilitationsapplikationen und -prozesse
  • Assistenz Technolgien

OVE Presse

Mag. Cornelia Schaupp
Leitung Presse und Kommunikation

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