Die studierte Elektrotechnikerin Simone Schuler arbeitet nach jahrelanger Forschungstätigkeit seit 2019 bei Bosch. Seit 2021 ist sie hier als Projektleiterin tätig. Die gebürtige Vorarlbergerin hat nicht zuletzt durch zahlreiche Auszeichnungen und Preise, darunter das Verbund Frauenstipendium und der Hannspeter Winter Preis, auf sich aufmerksam gemacht.
Im OVE Fem-Interview gibt Simone Schuler Einblicke in ihre ersten Schritte in der Technik, in ihre Studienzeit und ihre Erfahrungen als Visiting Researcher im Ausland. Für die Gen Z zeigt sie die Bandbreite an spannenden Tätigkeiten in der Technik auf.
OVE Fem: Was war Ihr erster Berührungspunkt mit der Elektrotechnik?
Simone Schuler: Mein erster Berührungspunkt waren die Berufsschnuppertage in der Unterstufe. Dabei habe ich bei der Firma Gantner Electronics meine Neugier für die Elektrotechnik entdeckt. Aufgabe war es hier, eine Schaltung mit LEDs und Tastern aufzubauen. Ich wollte verstehen, wie das funktioniert.
OVE Fem: Nach der Hauptschule besuchten Sie die HTL für Elektro- und Informationstechnik in Rankweil. Welche Erfahrungen und Eindrücke, die Sie in dieser Zeit sammeln konnten, waren die prägendsten für Ihren weiteren Bildungsweg?
S. Schuler: Aus der Schulzeit und den Praktika im Sommer habe ich vor allem mitgenommen, dass es wichtig ist, seinen Weg zu verfolgen und sich mit Menschen zu umgeben, die einen darin bestärken und unterstützen.
Davon gab es in dieser Zeit sehr viele. Leider bin ich damals aber auch auf Menschen gestoßen, die der Meinung waren, dass Frauen in der Technik fehl am Platz sind.
OVE Fem: Und trotzdem haben Sie sich nicht abhalten lassen, Elektrotechnik in Wien zu studieren. Mit welchen Herausforderungen waren Sie hier anfänglich konfrontiert?
S. Schuler: Eine der größten Herausforderungen war anfangs die Umstellung vom schulischen System auf Selbstorganisation und Selbstverantwortung. Hier habe ich gelernt, wie wichtig die eigene Motivation ist, um die gesteckten Ziele zu erreichen.
OVE Fem: Spätestens ab Ihrem Masterstudium konnten Sie durch zahlreiche Stipendien, Auszeichnungen und Preise auf sich aufmerksam machen, u. a. ein Stipendium des Europäischen Forum Alpbach, den ESG Nano Preis, das Verbund Frauenstipendium oder den Hannspeter Winter Preis.
Wo lagen bei all diesen Auszeichnungen Ihre thematischen Schwerpunkte?
S. Schuler: Den ESG Nano Preis habe ich für meine erste wissenschaftliche Veröffentlichung erhalten. Das Verbund Frauenstipendium habe ich für meinen bisherigen Werdegang bekommen – HTL, Studium, und hier für meine Leistungen.
Besonders stolz bin ich auf den Hannspeter Winterpreis, der mir im Rahmen meiner Dissertation verliehen wurde.
In meiner Arbeit habe ich mich damit beschäftigt, Photodetektoren – Elemente, die Licht in ein elektrisches Signal umwandeln, auf Basis eines neuartigen Materials namens Graphen zu bauen. Graphen besteht aus einer Atomlage Kohlenstoff und besitzt dadurch einzigartige Eigenschaften wie kein anderes Material.
Damit konnte ich zeigen, dass man Bauelemente für die Datenkommunikation bauen kann, die weit schneller und billiger sind als bisher.
OVE Fem: Wie fühlt man sich als vielgeehrte Preisträgerin? Was treibt einen an?
S. Schuler: Ich fühle mich geehrt und bin stolz darauf. Es ist wichtig, gute Arbeit auf die Bühne zu bringen, um andere zu motivieren, sich auf einen ähnlichen Weg zu trauen.
Gerade in der Technik braucht es Role Models, um Mädchen und jungen Frauen zu zeigen, dass Technik Spaß macht und wir Frauen den Bereich „rocken“ 😊 können.
Mein Antrieb war und ist es, Herausforderungen anzunehmen, nicht gleich aufzugeben und schlussendlich eine Lösung zu finden.
OVE Fem: Als Visiting Researcher waren Sie sowohl in Moskau als auch in Cambridge – was waren die gravierendsten Unterschiede dieser beiden Forschungsaufenthalte?
S. Schuler: Der Besuch in Moskau war eine tolle Erfahrung – für mich eine einmalige Möglichkeit, die Stadt und die Universität dort kennenzulernen. Sprachlich war Moskau auf jeden Fall eine Herausforderung. Hier konnte ich mich jedoch auf meine Kollegen dort verlassen.
Der Aufenthalt in Cambridge hat mich in vielerlei Hinsicht weitergebracht. Einerseits ist das internationale Umfeld sehr bereichernd – in kultureller wie auch wissenschaftlicher Hinsicht. Andererseits habe ich dort gute Freunde gefunden.
Was beide Aufenthalte verbindet, ist die tolle Zusammenarbeit für ein gemeinsames Ziel: ein Stückchen unserer Welt besser zu verstehen.
OVE Fem: Sie haben Ihre Forschungstätigkeit mittlerweile aufgegeben und sind nun Projektmanagerin bei der Robert Bosch AG. Womit sind Sie in Ihrem aktuellen Job befasst?
S. Schuler: Bei Bosch habe ich die Rolle der Projektleiterin übernommen. Besonders Spaß macht mir hier die Arbeit im Team: den Überblick behalten und für mein Team die Rahmenbedingungen schaffen, um ein Produkt in optimaler Qualität und zur Zufriedenheit des Kunden zu liefern.
OVE Fem: Die Elektrotechnik-Branche sucht händeringend nach Fachkräften – wie könnte man die Gen Z, und hier vor allem auch Mädchen, aus Ihrer Sicht motivieren, den Schritt in die (Elektro-)Technik zu tun?
S. Schuler: Aus meiner Sicht sollte das Bild des/der „Techniker;in“ richtig dargestellt werden; welche Bandbreite an spannenden Aufgaben und Themenbereichen möglich ist.
Wenn ich an meine Praktika denke: Ich habe gesehen, wie im Medizinbereich Produkte entwickelt werden, habe gelernt, wie man einen Kran aufbaut, wie Antennen funktionieren oder wie ein Haus verkabelt wird.
Viel früher im Schulunterricht sollte Technik als Unterrichtsfach eingeführt werden, um die Neugierde zu wecken. Aus meiner Erfahrung braucht es aber auch die die Unterstützung und das Vertrauen der Eltern, die einen bestärken können, den eigenen Weg zu gehen.
OVE Fem: Work-Life-Balance – wie schaffen Sie für sich Ausgleich?
S. Schuler: Meinen Ausgleich finde ich in der Natur beim Wandern, Biken oder im Winter beim Langlaufen oder Schifahren. Ich genieße es, ein gutes Buch zu lesen oder einfach Musik zu hören.
OVE Fem: Vielen Dank für das Interview.
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